Frau Menzer-Haasis, Sie sind nun seit fast zweieinhalb Jahren Präsidentin des Landessportverbandes Baden-Württemberg. Welche Bilanz ziehen Sie nach dieser Zeit?
Eine positive. Ich denke, wir haben als Team, zusammen mit dem Haupt- und dem Ehrenamt, eine ganze Menge auf den Weg gebracht. Den einen oder anderen haben wir mit unserem Tempo vielleicht auch etwas überfordert. Aber es waren vor allen Dingen sehr arbeitsintensive Jahre, die ich ehrenamtlich verbracht habe.
Mit welchen Schwerpunkten?
Im Mittelpunkt der Arbeit stand die Umsetzung der Leistungssportreform. Was uns in Baden-Württemberg anbetrifft, so stand an vorderster Stelle die Sicherung und Weiterentwicklung der Olympiastützpunkte. Ich bin sehr froh, dass wir bereits im Juni 2017 eine Vereinbarung mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) treffen konnten, die – wie ich glaube – eine enorme Stärkung unserer leistungssportlichen Arbeit in Baden-Württemberg mit sich bringt. Hier war der LSV in Deutschland zeitlich führend, und ich danke allen, die sich im Land in dieser Sache über Monate hinweg engagiert haben. Zum 1. Januar dieses Jahres gab es dann den Betriebs- und damit Personalübergang zum LSV. Spannend dabei fand ich, dass mancher „alte Kämpfer“ im System noch einen alten LSV-Vertrag hatte. Wir haben also in gewisser Weise wieder die ursprünglichen Leistungssport-Verhältnisse hergestellt. Es gilt derzeit natürlich auch noch die eine oder andere Unebenheit zu glätten, aber auch der Bund hat sich über unser Wirken hier im Land und die reibungslos vollzogenen Übergänge lobend geäußert. Ich glaube, andere Bundesländer wären froh, wenn sie so weit wären wie wir. Jetzt gilt es, diese Reform weiter konsequent umzusetzen, sodass Aktive und Trainer und das gesamte Leistungssportsystem nachhaltig davon profitieren werden. Selbstverständlich kann eine solche Reform nur in enger, teilweise durchaus auch kritischer Abstimmung mit DOSB und Bund, geschehen. Wir sind auf einem guten, vertrauensvollen Weg, der von intensiver Kommunikation geprägt ist.
Seit Beginn der Legislaturperiode arbeitet nun auch der Präsidialausschuss Leistungssport mit dem fast schon amüsanten Namen PAuLe. Wie bewerten Sie dessen Arbeit?
Ich selbst bin ja nicht Mitglied dieses Ausschusses, nehme gleichwohl immer wieder an Sitzungen teil – die Präsidentin hat eine Wildcard. Was ich lese und höre klingt nicht nur gut, sondern die Mitglieder sind mehr als nur überzeugt, dass die Änderung hin zu einer Cluster-Zusammensetzung des Ausschusses genau die richtige Entscheidung war. Das Vertrauen der Fachverbände untereinander wächst durch die offene Diskussion und damit auch nachvollziehbare Entscheidungsfindung. Leistungssportliche Themen werden von den Fachverbänden unter der Leitung von Jürgen Scholz adäquat und auf höchstem Niveau – und im Übrigen auch transparenter denn je – bearbeitet.
Wo sehen Sie die Schwerpunkte Ihrer Arbeit in den nächsten Monaten?
Da gibt es weiter einiges in Bezug auf den Leistungssport zu tun. Nach wie vor beim Bundesstützpunkt Fechten in Tauberbischofsheim. Zuletzt führten wir zielführende Gespräche mit Bürgermeister Vockel. Es liegt noch einiges an Arbeit bei der schon erwähnten Umsetzung der OSP-Strukturen vor uns. Zudem suchen wir derzeit einen neuen Leiter des OSP Stuttgart. Die Finanzierung Bund/Land steht immer wieder auf der Agenda. Mit der Anerkennung der Sommerstützpunkte, die teilweise nur bis 2020 gilt, haben wir ein Teilziel erreicht, aber selbstredend auch die Daueraufgabe, das gute Niveau gemeinsam mit den Fachverbänden zu halten. Dazu kommen weitere Themen wie Stärkung der gesellschaftlichen Rolle des Sports, Weiterentwicklung des Programms Integration durch Sport, vielfältige Gesprächsbedarfe im Bereich Sport und Umwelt und natürlich das normale Tagesgeschäft im Gespräch mit den gesellschaftlichen Vertretern.
Eine letzte Frage im Zusammenhang mit Leistungssport: Der LSV veranstaltet in jedem Jahr zusammen mit Porsche, der BARMER und dem Kultusministerium die über die Landesgrenzen hinaus hohe Beachtung findende Trainerpreisverleihung. Auch im nächsten Jahr wieder?
Ja, die Trainerpreisverleihung ist eine fantastische Sache mit einer großen Tradition. Ich freue mich, dass wir diese am 22. Januar im Porsche-Museum in Stuttgart fortsetzen können. Ziel der Veranstaltung ist vor allen Dingen aber eine öffentliche Anerkennung der Trainer in unserem Land, ob ehren- oder hauptberuflich tätig, ob an der Basis oder Verein oder mit einem Olympiasieger zusammen arbeitend.
Nicht zu vergessen die Veranstaltung „Partnerbetriebe des Spitzensports.“ Auch diese steht in 2019 wieder an.
Ja, am 15. März in Schonach. Diese Ehrung der Partnerbetriebe wurde bei den ersten Malen in eine Veranstaltung der Arbeitgeberverbände integriert, dann im Jahre 2017 eigenständig von uns mit dem Wirtschaftsministerium durchgeführt. Im Übrigen in einer tollen und sehr sportlichen Atmosphäre im Kunstturn-Forum in Stuttgart. Für diese Verbindung von Sport und Wirtschaft haben wir viele positive Rückmeldungen erhalten. Als Lehrerin ist mir eine adäquate Ausbildung, vor allem auch perspektivisch nach der sportlichen Karriere, oder – was ich nicht hoffe – nach einer gravierenden Verletzung, enorm wichtig! Ich halte es für unabdingbar, dass unsere Sportler auch für ein Leben nach dem Sport qualifiziert werden. Wir werben permanent dafür. Nicht nur bei Firmen und Unternehmen, nicht nur bei Bundeswehr und Polizei, sondern auch beim Landkreistag und vielen mehr. Es wäre toll, wenn jede Behörde sich bereiterklären würde, Spitzensportler auszubilden oder zu beschäftigen.
Ein dritter Termin im kommenden Jahr ist die Mitgliederversammlung. Wie steht es hier mit den Vorbereitungen?
Der Termin 13. Juli steht ja schon lange fest. Bei einer Veranstaltung dieser Größe müssen wir schon fast zwei Jahre vorher die wichtigsten organisatorischen Entscheidungen treffen. Die nächste Mitgliederversammlung – sie findet ja alle drei Jahre statt – richten wir im Congress-Center Rosengarten in Mannheim aus. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange. Ich bin sicher, dass wir wieder eine angemessene Veranstaltung auf die Beine stellen werden.
Themenwechsel: Ein wichtiges Thema, dessen sich der LSV und die Sportbünde annehmen, sind die Freiwilligendienste. Erneut wurden Rekordzahlen veröffentlicht.
Ja, in diesem Schuljahr haben über 450 Freiwillige, also mehr denn jemals zuvor, einen Freiwilligendienst im Sport in Baden-Württemberg angetreten. Das ist eine wunderbare Zahl, und ich denke, dass wir immer noch Potenzial nach oben haben. Wichtig ist, dass die jungen Freiwilligen nun auch gleichzeitig die Übungsleiter-Ausbildung absolvieren können und dadurch im Anschluss hoffentlich für die Arbeit in den Vereinen und Verbänden gewonnen wurden können. Ein Arbeitsfeld für die Zukunft sind die Vereine im ländlichen Raum. Kleinere Vereine sind mit der Organisation oft überfordert. Hier gibt es gute Ansätze, dass sich beispielsweise auch zwei oder drei Vereine einen Freiwilligendienst-Platz teilen, um so auch auf dem Land noch präsenter zu sein und das Angebot, das den jungen Menschen auf der einen und den Vereinen oder Verbänden auf der anderen Seite so viel Positives bieten kann, zu nutzen. Ich freue mich, dass wir dank des Engagements der Baden-Württembergischen Sportjugend und der drei Sportjugenden der Sportbünde hier bundesweit führend sind. Und zwar nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ.
Die Zusammenarbeit mit der BWSJ gestaltet sich aber nicht nur wegen der Freiwilligendienste positiv?
Nein, mit Tobias Müller und seinen Kollegen haben wir ein tolles Miteinander. Er ist sehr kompetent und kennt das System gut. Gleiches gilt im Übrigen für das Hauptamt der Sportjugend. Ich schätze die Diskussionen, in der wir gemeinsam die Generationsübergreifende Entwicklung unserer Sportlandschaft erörtern.
Wie kommen der LSV und die Sportbünde beim Thema Frauen im Sport weiter? Täuscht es, dass dieses Thema zuletzt etwas aus dem Blickwinkel gerückt ist?
In diesem Bereich entwickelt sich einiges, und ich bin der Meinung, dass sich der Aufwand lohnt, was Fortbildungen, Seminare usw. anbetrifft. Sicherlich ist dies ein Thema, das nicht immer mit Schlagzeilen verbunden ist. Aber Margarete Lehmann und ihr Team arbeiten sehr intensiv an der Frage, wie noch mehr Frauen in Führungspositionen gelangen können, ob im Verein oder Verband. Erzwingen kann man nichts, aber wir sind auf einem guten Weg.
eSports ist in aller Munde. Sie haben sich schon vor längerer Zeit, aber gerade auch zuletzt wieder, klar gegen die Aufnahme von eSports in den DOSB und somit wohl auch in den LSV ausgesprochen. Bleiben Sie bei Ihrer Meinung?
Zunächst einmal möchte ich in diesem Zusammenhang von eGaming und nicht eSports sprechen, denn hauptsächlich hat all dies, über was wir hier reden, überhaupt nichts mit Sport zu tun. Und ich meine jetzt nicht die körperliche Anstrengung der Spielenden, die diese ja immer in den Vordergrund stellen wollen. Ich denke, dass die Position des DOSB hier hinreichend die Potenziale und Risiken beschreibt. Die Reaktionen der „Gaming-Industrie“ bestätigt meines Erachtens, dass wir hier auf der richtigen Spur sind. Gemeinnützigkeit sollte Organisationen und Vereinen vorbehalten sein, deren Interesse sich am Gemeinwohl orientiert und nicht an Gewinnmaximierung! Aus dieser Positionierung des Sports einen Generationenkonflikt zu konstruieren halte ich gelinde gesagt für verwegen.
Auf eine gute Resonanz ist Mitte November die jährlich stattfindende Anti- Doping-Veranstaltung des LSV gestoßen. Ein Thema, das den LSV immer wieder bewegt.
Ja, wir müssen hier mehr als nur am Ball bleiben. Gerade im Bereich der Prävention ist es eine vordringliche Aufgabe eines Landessportverbandes, nicht nur Gelder in den Leistungssport der Fachverbände zu geben, sondern die jungen Athleten, aber auch die Trainer und Betreuer, für dieses Thema zu sensibilisieren. Intensive Aufklärung, das ist unser Ansatz und unsere Aufgabe. Und da gibt es mehrere Instrumente, eines davon ist zunächst die von Ihnen erwähnte Anti-Doping-Veranstaltung, in deren Rahmen nicht zuletzt unser Anti-Doping-Beauftragter, Prof. Heiko Striegel, wertvolle Informationen an die Verbände weitergibt. Letztlich geht es um Akzeptanz und Integrität. Zwei Themen, die in besonderem Maße die Glaubwürdigkeit unseres Sportsystems bestimmen.
Sie haben sich zuletzt hin und wieder über die Glaubwürdigkeit im Sport geäußert, und zwar auch im Zusammenhang mit Doping. Wie meinten Sie das?
Wie vorhin geäußert, es geht mir hier in erster Linie um die schwindende Akzeptanz von Leistungssport in der Gesellschaft. Das hängt mit negativ besetzten Themen wie Olympia, FIFA oder eben auch IOC und Doping zusammen. Das ist schade. Über all die Schlagzeilen im Zusammenhang mit der wachsweichen Lösung der Russland-Problematik durch die WADA bin ich mehr als nur erstaunt. Hier fehlt ein konsequentes Handeln. Generell gilt aber aus meiner Sicht: Alle im Sport müssen an dieser Glaubwürdigkeit arbeiten. Leistung muss wieder etwas zählen. Es muss wieder zu einem Ziel eines Landes wie Deutschland werden, Olympische Spiele austragen und zwangsläufig auch Steuergelder investieren zu wollen. Dass dies schwierig ist habe ich gerade verdeutlicht, aber es muss daran gearbeitet werden. Nichtsdestotrotz bin ich optimistisch: Wenn wir ALLE gemeinsam daran arbeiten, können wir erfolgreich sein!
Das Gespräch führte Joachim Spägele