Jürgen Scholz führt den organisierten Sport in Baden-Württemberg an. Der 61-Jährige wurde von den Delegierten auf der Mitgliederversammlung in Offenburg mit überwältigender Mehrheit gewählt. Krankheitsbedingt konnte er nicht in der Oberrheinhalle anwesend sein, sondern sich nur in einer kurzen Videobotschaft vorstellen. Wer ist der neue Mann an der Spitze des LSVBW?

Als Jürgen Scholz elf Jahre alt war, stellte ihn seine Mutter vor die Wahl: Fußball oder Leichtathletik. Seine Entscheidung fiel ihm nicht schwer. „Weil ich in der Schule allen davongelaufen bin, ging ich zur Leichtathletik“, erinnert er sich. Und weil seine Familie in Kornwestheim lebte, schloss er sich dem Turnverein und der Leichtathletik-Abteilung Salamander an. Als er Jahre später seine Laufbahn auf der Laufbahn beendet hat, konnte er mit Stolz auf eine 100-Meter-Bestzeit von 10,9 Sekunden verweisen.

Bis er am 16. Juli 2022 zum Präsidenten des Landessportverbandes Baden-Württemberg (LSVBW) gewählt wurde, bedurfte es allerdings für einen Sprinter ungewohnt langen Atems. „2002 hat mich die Leichtathletik-Familie wieder zurückgeholt, ich wurde Breitensportwart im Württembergischen Leichtathletik-Verband“, erzählt Scholz. Zwei Jahre später folgte in Bad Liebenzell die Wahl zum Präsidenten des Württembergischen Leichtathletik-Verbandes (WLV). Im Kurort im Schwarzwald findet dieses Jahr wieder eine WLV-Mitgliederversammlung statt. „Am 18. September wird meine Ära enden“, so Scholz, der für vier Jahre auch als Vizepräsident beim Deutschen Leichtathletikverband (DLV) amtierte. Nun steht er an der Spitze der Dachorganisation des organisierten Sports in Baden-Württemberg.

Aus dem früheren Individualsportler Scholz ist längst ein Teamplayer geworden. Diese Fähigkeiten hat er nicht nur als Sportpolitiker gelernt, sondern besonders im hautnahen Umgang mit den Sersheimer Bürgern und dem Gemeinderat. „Mein Schatz ist die Erfahrung im kommunalen Amt“, beschreibt der Bürgermeister, der seit 1990 der Verwaltung der Gemeinde im Kreis Ludwigsburg vorsteht und sich im September für eine fünfte Amtszeit bewirbt, „da muss man eine verbindende Position erarbeiten, der alle folgen können.“ Und ähnliches strebt er auch im LSVBW an. Er will alle mitnehmen. „Der Sport muss mit einer Stimme sprechen. Ich will noch mehr das verbindende suchen, nicht das Trennende. Deshalb müssen wir als ein Team Baden-Württemberg auftreten.“ Was bedeutet, dass die regionalen Besonderheiten erhalten bleiben.

Schon einmal hat er einen besonderen Weg eingeschlagen. Im Zuge der Leistungssportreform wurde 2015 der Landesausschuss Leistungssport in den Präsidialausschuss Leistungssport (PAuLe) überführt. Damit hat dieses Gremium vom LSVBW-Präsidium die finanzielle Ausstattung und das Bewirtschaftungsbefugnis bekommen. Für eine größtmögliche Transparenz wurden alle Zuschüsse über die Cluster und auf der LSVBW-Homepage öffentlich zugänglich gemacht. „Viele haben das für unmöglich gehalten“, sagt Scholz. Und ein klein wenig Stolz schwingt in diesem Moment in seiner Stimme.

Nun warten wieder Herausforderungen auf Präsident Scholz und sein Team. Zum einen stehen der Sport und seine Vereine nach den Lockdowns durch die Corona-Pandemie in vielen Bereichen wieder vor einem Neubeginn. Obwohl die Zahlen der Bestandserhebung nach einem Rückgang wieder leicht auf beinahe 3,9 Mitgliedschaften angestiegen sind. „Viele haben dem Sport den Rücken zugewendet, viele haben ihr Ehrenamt aufgegeben“, muss er feststellen, „es muss an uns allen liegen, diese Menschen wieder in die Sportvereine zu bekommen.“

Ganz aktuell bereiten den Verantwortlichen in den Sportvereinen noch die explodierenden Energiekosten Kopfzerbrechen. Scholz nennt dies „die kalte Pandemie“. Die entscheidende Frage sei: „Können wir uns Sport überhaupt noch leisten? Dabei geht es nicht nur um die Sportstätten, die im Eigentum von Vereinen sind, sondern auch um die, die sich in kommunaler Hand befinden.“ Der kommunal verankerte Sportlobbyist warnt alle handelnden Akteure: „Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die Sportinfrastruktur umsonst zur Verfügung gestellt wird.“ Aber es sei ein wichtiger Baustein in der Frage: Wie vermittele ich Sport? „Deshalb ist es wichtig, im Schulterschluss mit den kommunalen Trägern eine Lösung zu finden, damit nicht am Ende die Kinder, die Jugendlichen, die jungen Erwachsenen oder die Senioren auf der Strecke bleiben und keinen Sport mehr treiben können, weil die Sportstätte geschlossen ist“, warnt er, „oder dass das Schwimmbad nicht mehr beheizt wird und das Schwimmen im Wasser nur noch mit Neoprenanzug möglich ist.“

Dass dies nicht einfach werden wird, ist Jürgen Scholz durchaus bewusst. „An diesem Thema müssen wir alle gemeinsam arbeiten, um vor Ort intelligente Lösungen zu finden“, sagt er, „es gibt wahrscheinlich keine allgemeine Lösung, sondern nur individuelle, die die regionalen Bedingungen abbilden.“ Wie man zu diesen individuellen Ansätzen finden kann, damit hat der Sersheimer Bürgermeister jahrelange Erfahrung. Und seine sehr pragmatischen Ansätze.