Wenn das kein Signal ist. Mit vier WM-Titeln war Anna-Lena Forster die erfolgreichste Athletin bei der Para-Schneesport-WM in Lillehammer. Große Vorfreude will bei der 26-jährigen Monobob-Fahrerin vom BRSV Radolfzell nicht aufkommen. Nach Peking fährt sie mit gemischten Gefühlen. Und weil einige Konkurrentinnen in Norwegen gefehlt haben, sieht sie diese in der Favoritenrolle.

Frau Forster, bei den Weltmeisterschaften waren Sie mit vier Goldmedaillen sehr erfolgreich. Sie reisen sicher in einem Stimmungshoch zu den Paralympics nach Peking?

In Peking werden die Karten noch einmal komplett neu gemischt werden, denn geschätzt haben bei der WM in Lillehammer vier starke Athletinnen gefehlt. Vor allem die Japanerin Momoka Muraoka konnte da nicht starten, weil sie sich in Quarantäne befunden hat. Drei Chinesinnen habe ich seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Die waren damals schon nicht schlecht dabei. Deshalb könnte ich mir vorstellen, dass es interessant und spannend wird.

 Sie sehen sich also nicht in der Favoritenrolle?

Nein, ich denke aber, dass ich gut mitmischen kann.

Nachdem die WM um ein Jahr verschoben worden war, haben Sie zwei Highlights innerhalb kurzer Zeit. Wie schwer ist es, die Spannung hochzuhalten?

Das ist total neu für uns. Zwar war uns immer gesagt worden, dass die WM im Vorfeld der Paralympics nicht so wichtig sei. Aber für mich als Athletin ist die Anspannung auf jeden Fall hoch, weil es sich um eine Weltmeisterschaft handelt, es um Titel geht und die Medienpräsenz wesentlich größer als bei einem Weltcup ist. Aber wir sind alle fit, weshalb wir zwei solcher Großereignisse in einer Saison schon hinbekommen sollten.

Im Gegensatz zu China verfügt der Wintersport in Skandinavien über eine große Tradition. Insofern werden WM und Paralympics emotional zu einem Kontrastprogramm werden?

Tatsächlich waren auch in Lillehammer wegen Corona kaum Zuschauer bei den Wettkämpfen zugelassen. Meine Familie wollte eigentlich auch nach Norwegen kommen, ist letztlich doch zuhause geblieben. Und so haben das auch die viele gemacht. Insofern wird der Kontrast in Peking nicht so gewaltig sein.

Sie sind sowohl in der Abfahrt als auch im Slalom Weltmeisterin geworden. Was ist Ihre Lieblingsdisziplin?

Ich fühle mich in den technischen Disziplinen wohler. Gerade der Slalom ist mein Steckenpferd. Da habe ich in den letzten Jahren viele Erfolge feiern können. Da habe ich das Gefühl am meisten reißen zu können.

 Vor den Paralympics finden die Olympischen Spiele der Fußgänger statt. Wie intensiv werden Sie diese verfolgen? Nicht nur wegen der sportlichen Wettkämpfe, sondern auch wegen der politischen Umstände.

Ich werde versuchen einiges anzuschauen. Es wird spannend für uns sein, denn wir waren selbst noch nicht vor Ort. Deshalb können wir uns schon mal die Pisten anschauen. Wir haben im Vorfeld noch ein Trainingslager in Südtirol, da werden wir sicher noch über die ganzen Regeln informiert werden. Und wir werden uns, bevor es nach Peking geht, mehrmals testen lassen müssen.

Mit welchen Gefühlen werden Sie nach Peking reisen?

Durchaus mit gemischten Gefühlen. Zum einen wissen wir nicht, was uns da von den örtlichen Bedingungen erwartet. Dann wissen wir nichts über die ganzen Corona-Regularien, die unseren normalen Wettkampfablauf beeinflussen werden. Von den Sportlern, die in den vergangenen Monaten schon einmal in Peking waren, hat man nicht nur Positives gehört. Deshalb ist die Euphorie bei mir nicht so groß wie vor anderen Spielen.

Bei den normalen Skifahrern spielt das Material eine sehr wichtige Rolle. Wie sieht das bei Euch Parasportlern aus?

Bei uns kommen noch ein paar andere Komponenten dazu. Mein Ski besteht auch noch aus der Sitzschale, die auf mich angefertigt sein muss. Die muss passen wie ein Skischuh. Das Dämpfungssystem mit dem Mountainbike-Dämpfer muss optimal funktionieren.

Sie wurden von Ihren Eltern schon in sehr jungen Jahren mit zum Skifahren genommen.

Das kann man so sagen.

Haben Sie andere Sportart ausprobiert?

Ich habe im Kindes- und Jugendalter verschiedenen Sportarten gemacht. Ich war bei den Leichtathleten, bin geschwommen. Mir macht Sport insgesamt Spaß, aber nicht so, dass ich eine andere Sportart auf diesem Niveau hätte ausüben wollen.

Im Sommer trainieren Sie mit dem Handbike. Wäre ein Start in dieser Disziplin bei den Paralympics eine Option?

Das steht bei mir nicht zur Debatte. Wir sind zwar fit, aber um in einer Ausdauersportart wie mit dem Handbike vorne mitmischen zu können, müsste ich noch eine Schippe drauflegen. Ganz ehrlich wäre mir das auch zu viel zwei Disziplinen im Sommer und im Winter auf diesem Niveau ausüben zu wollen. Ich hätte das Gefühl, die eine oder andere zu vernachlässigen.

Zumal Sie noch studieren. Wie bekommen Sie Sport und Studium geregelt?

Ich habe im Sommer tatsächlich meinen Bachelor in Psychologie gemacht. Ich fand das Studium neben dem Sport ganz schön knackig und belastend und habe es lange gezogen, auch weil ich ein Typ bin, der nicht so leicht lernt. Und man muss viel koordinieren und in ständigem Kontakt mit den Professoren und Dozenten stehen.

Nach den Paralympics steigen Sie ins Berufsleben ein?

Ich bin quasi Profisportlerin, weil ich beim Zoll angestellt bin. Aber ich habe schon noch vor den Master zu machen.

 Bleibt da noch Zeit für Hobbies?

Wir sind im Sommer drei Monate nicht auf Ski, da kann man was mit Freunden machen oder andere Sportarten ausprobieren. Oder das machen, was einem Spaß macht: Reisen zum Beispiel.

Was sind Ihre Lieblings-Reiseziele?

Ich gehe gerne nach Italien, möchte aber auch neue Länder kennenlernen. Zum Beispiel Norwegen im Sommer oder weiter weg, nach Australien oder Neuseeland. Mal schauen, wann die Pandemie das wieder zulässt.

 Das Gespräch führte Klaus-Eckhard Jost.