Vom 26. Juli bis 11. August 2024 finden in Paris die Olympischen Spiele statt. Dieses Ziel haben auch Sportler und Sportlerinnen aus Baden-Württemberg. „Sport in BW“ stellt aussichtsreiche Medaillenkandidaten vor.

Natürlich war die Enttäuschung groß bei Luca Schwarzbauer, dass er 2021 die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio verpasst hat. Drittbester deutscher Mountainbiker war er damals. Maximilian Brandl und Manuel Fumic waren stärker. „Ich hatte damals nicht das Niveau“, gibt der 27-Jährige ehrlich zu. Dieses Niveau hat er sich danach erarbeitet. „Die Trainingszeit, die ich durch die verpasste Teilnahme bei Olympia hatte, hat mir sehr bei der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaften geholfen“, sagt er. Mit der Staffel konnte er Bronze gewinnen. Und die beiden letzten Weltcuprennen der Saison beendete er jeweils unter den besten Zehn. Sein Durchbruch, der dem Nürtinger auch einen Vertrag beim Team Canyon-CCLCTV einbrachte.

Seitdem gehört Luca Schwarzbauer bei jedem Rennen zum erweiterten Favoritenkreis. „Es war das erste Jahr, dass ich so richtig im Rampenlicht stand und immer als Fahrer gehandelt wurde, der aufs Podium fahren kann“, berichtet er. Die Bilanz kann sich sehen lassen: den Shorttrack-Weltcup hat er in der vergangenen Saison gewonnen, im Gesamt-Weltcup landete er auf Platz drei und in der Weltrangliste wird er auf Platz vier geführt. Damit zählt er auch bei den Olympischen Spielen in Paris zu den Medaillenkandidaten. Doch Schwarzbauer ist zurückhaltend: „Natürlich wäre eine Olympiamedaille das Größte.“ Denn bei Olympia gesellen sich zu den Spezialisten noch einige Straßenfahrer wie der dreimalige Querfeldein-Weltmeister Mathieu van der Poel oder Thomas Pidcock, Mountainbike-Olympiasieger und -Weltmeister, dazu. „Klar ist Olympia ein riesiges Ding“, argumentiert Schwarzbauer, „aber es steht und fällt nicht alles mit diesem einen Rennen.“

Diese Sichtweise fußt auf schmerzhaften Erfahrungen, die der 27-Jährige im Laufe seiner Karriere gemacht hat. 2014 befand er sich schon einmal auf einem Leistungshoch. Als Junior hat er mehrere Weltcuprennen gewonnen, war Deutscher Junioren-Meister geworden. Und wollte mehr. Deshalb hat er versucht abzunehmen, bis auf 63 Kilogramm bei einer Größe von 1,79 Meter hat er sich heruntergehungert. Doch damit fehlte dem Rennfahrer mit einem eher kräftigen Körperbau die Substanz. Statt besser wurde er immer schlechter. „Ich hatte eine Essstörung“, erzählt Schwarzbauer offen, „mein Körper konnte das Training, das ich mir selbst aufgebrummt habe, nicht mehr wegstecken.“ Von 2015 bis 2017 sei er mehr oder weniger ausgeknockt und nicht in der Lage gewesen Leistungssport zu betreiben. Mit mittlerweile 78 Kilogramm hat er sein ideales Wohlfühlgewicht erreicht.

Geholfen hat auch eine Beschäftigung, die ihn vom Sport abgelenkt hat. „Im Wintersemester 2018 habe ich angefangen Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule Esslingen zu studieren“, erzählt Schwarzbauer. Die „Belastung“ des Kopfes habt ihm geholfen die Balance wieder zu finden „und den Fokus nicht zu sehr auf einzelne Dinge, in diesem Fall den Radsport, zu legen“.

Mittlerweile hat er ein Expertenteam um sich herum aufgebaut. Dazu gehört Barry Austin, der bis vor einem Jahr auch die mehrfache Weltmeisterin Pauline Ferrand-Prévat trainiert hat. In Ernährungsfragen wird er von Martijn Redegeld beraten, der auch mit dem Straßenteam Jumbo-Visma zusammenarbeitet. Dazu kommt noch in Lisa Wagner aus Stuttgart eine persönliche Physiotherapeutin. „Das sind die drei Leute, die maßgeblich für meine Betreuung und meinen Erfolg mitverantwortlich sind“, bekennt er. Und ergänzt: „Ich gehe jetzt anders an die ganze Aufgabe heran als damals, als ich dachte, dass meine körperlichen Grenzen unerschöpflich seien.“

Momentan bereitet sich Luca Schwarzbauer mit viel Grundlagentraining auf die neue Saison vor. Dies tut er überwiegend von seinem zuhause in Weilheim am Fuße der Schwäbischen Alb. „Ich reise während der Saison so viel herum, dass ich dies im Winter nicht auch noch muss“, sagt er und verweist damit auf den CO2-Abdruck eines Leistungssportlers.

Bei diesen Ausfahrten denkt er immer wieder an den Olympiakurs. Der kommt ihm vom Profil her entgegen, weil er keine extrem steilen Passagen hat, sondern rollt. „Er ist besser als ein durchschnittlicher Kurs“ beschreibt er die Qualität, „aber auch nicht so, dass ich sage: Er ist mein Traumkurs.“ Der Grund: Der Parcours ist komplett künstlich gebaut. „Für die Zuschauer an der Strecke und am Fernseher ist das gut, aber für uns Fahrer ist das nicht so schön.“ Die Freude kommt, wenn das Rennen gut verläuft.