Es liegt ein wenig olympischer Flair über dem Olympiapark. 50 Jahre nach den Olympischen Spielen finden in München die European Championships statt. Das sind neun Europameisterschaften. Insgesamt werden etwa 4700 Sportlerinnen und Sportler vom 11. bis 21. August in 177 Wettkämpfen um Titel und Medaillen kämpfen. Mit dabei sind auch 52 Athletinnen und Athleten aus Baden-Württemberg.

Als große Favoritin gilt Malaika Mihambo. Die Weitspringerin von der LG Kurpfalz hat vor vier Jahren in Berlin den EM-Titel gewonnen. Danach wurde die 28-Jährige Olympiasiegerin und Weltmeisterin. Ihren zweiten WM-Titel gewann sie erst Ende Juli in Eugene (USA). Doch danach infizierte sie sich mit dem Corona-Virus. Ob sie startet, will sie kurzfristig entscheiden. „Wenn ich starte, will ich grundsätzlich meine beste Leistung abrufen“, sagt sie, „erst dann schaue ich, was diese Leistung im Vergleich zu den anderen Starterinnen bedeutet.“ Nach all den Erfolgen spüre sie auch keine Verpflichtung, irgendetwas noch einmal gewinnen zu müssen. „Ich habe auch keine Angst davor, mal nicht zu gewinnen“, verrät sie. Dies hat Mihambo nicht nur gesagt, um allzu hochgesteckten Erwartungen vorzubauen, weil sie zwischen den Titelkämpfen in Eugene und München an Corona erkrankt war. Es ist Mihambos Einstellung. Denn sie freut sich auf den Wettkampf auf der Anlage, auf der vor 50 Jahren Heide Ecker-Rosendahl den olympischen Weitsprung-Wettbewerb gewonnen hat. „Es ist schön, die Geschichte dieses Ortes zu kennen“, so Mihambo.

Einen ganz besonderen Wettkampf wird auch Kim Bui bestreiten. Die 33-jährige Turnerin vom MTV Stuttgart wird sich in der Olympiahalle zum letzten Mal dem Urteil der Kampfrichter stellen. „Ich werde es genießen“, sagte sie, nachdem sie ihre Entscheidung nach 17 Jahren Zugehörigkeit zur Nationalmannschaft bekanntgegeben hatte. „Der Rucksack ist wahnsinnig schwer gewesen“, sagte Bui, „nachdem meine Entscheidung jetzt raus ist, ist eine ganz große Last von mir abgefallen und es ist befreiend, Gewicht von diesem schweren Rucksack abzuwerfen. Ich werde diesen letzten Wettkampf mit einer anderen Leichtigkeit bestreiten.“ Aber trotzdem mit dem nötigen Ehrgeiz. „Das Teamfinale muss drin sein“, erklärt sie, „persönlich würde ich mich freuen, wenn ich in die Finals am Boden und Barren kommen würde.“ Denn eines ist auch klar: „Es ist nicht vorbei, bis es vorbei ist. Erst nach meiner letzten Übung werde ich meinen Turnanzug zurück in den Kleiderschrank hängen.“ Auch den mit den langen Beinen, für den sie sich im Kampf gegen Sexualisierung beim Turnen so eingesetzt hat.
Vor einer besonders spektakulären Kulisse finden die Spiele im Beachvolleyball statt. Der Königsplatz, eingerahmt von Glyptothek, dem imposanten Propyläen-Stadttor und dem Gebäude der Antikensammlung, liegt im Herzen von München und ist der Arbeitsplatz der beiden Duos Karla Borger und Julia Sude sowie Sarah Schulz und Chantal Laboureur. „Das Schöne bei unseren Turnieren sind immer wieder die coolen Plätze, an denen wir spielen dürfen“, sagt Karla Borger. Ansonsten können die beiden Duos aus Stuttgart an diesem Wochenende beim World-Beach-Pro-Tour-Turnier am Hamburger Rothenbaum noch Spielpraxis sammeln und den richtigen Rhythmus finden. Wobei Borger nach dem Nations-Cup am vergangenen Wochenende in Wien sagt: „Ärgerlich, dass diese Höhepunkte so eng aufeinander terminiert sind. Aber das kriegen wir schon irgendwie gewuppt.“

In unmittelbarer Nachbarschaft zu den Beach-Volleyball-Feldern wurde eine imposante Anlage für die Kletterer erstellt. In den drei Disziplinen Boulder, Lead und Speed gehen mit Max Kleesattel (schwäbisch Gmünd), Sebastian Halenke (Lahr) sowie Sebastian Lucke (Konstanz) und Dorian Zedler (Stuttgart) vier Kletterer aus Baden-Württemberg an den Start. Spannend wird sein, ob Lucke, Deutscher Meister 2020, seinen deutschen Rekord von 5,64 Sekunden an der 15-Meter-Wand, den er beim Weltcup in Chamonix aufgestellt hatte, noch einmal verbessern kann.

Umstellen muss sich wieder Liane Lippert. Bis vor eineinhalb Wochen war die Radfahrerin aus Friedrichshafen Teil ihres Teams Sunweb bei der Tour de France feminin, in München wird die zweimalige Deutsche Meisterin auf der Straße an den Bahnwettbewerben starten. Ob die Stimmung in den Messehallen ebenso euphorisch sein wird wie in Frankreich? „Es war eine besondere Stimmung, eine ganz besondere Atmosphäre“, sagte sie nach der Rundfahrt über acht Etappen. Und was der 24-Jährigen noch gefallen hat: „Man wird nach jedem Rennen interviewt.“ Am liebsten würde sie natürlich ein Interview als Siegerin geben.

Der EM-Zeitplan im Überblick

Die Starter aus Baden-Württemberg:

Beachvolleyball
Frauen

Karla Borger/Julia Sude (Stuttgart)
Sarah Schulz/Chantal Laboureur (Stuttgart)

Klettern
Männer

Lead: Sebastian Halenke (Lahr)
Boulder: Max Kleesattel (Schwäbisch Gmünd)
Speed: Sebastian Lucke (Konstanz), Dorian Zedler (Stuttgart)

Leichtathletik
Frauen

200 Meter: Jessica-Bianca Wessolly (MTG Mannheim)
4×400 Meter: Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen)
1500 Meter: Hanna Klein (LAV Stadtwerke Tübingen)
10 000 Meter: Alina Reh (SCC Berlin/OSP Stuttgart)
400 Meter Hürden: Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen)
3000 Meter Hindernis: Elena Burkard (LG farbtex Nordschwarzwald)
Hochsprung: Marie-Laurence Jungfleisch (VfB Stuttgart)
Stabhochsprung: Anjuli Knäsche (LG Leinfelden-Echterdingen), Jacqueline Otchere (MTG Mannheim)
Weitsprung: Mikaelle Assani (LG Region Karlsruhe), Malaika Mihambo (LG Kurpfalz)

Männer

4×100 Meter: Milo Skupin-Alfa (LG Offenburg)
800 Meter: Christoph Kessler (LG Region Karlsruhe)
1500 Meter: Christoph Kessler (LG Region Karlsruhe)
110 Meter Hürden: Gregor Traber (LAV Stadtwerke Tübingen)
400 Meter Hürden: Constantin Preis (VfL Sindelfingen)
35 km Gehen: Carl Dohmann (SCL Heel Baden-Baden)
Weitsprung: Fabian Heinle (VfB Stuttgart)
Kugelstoßen: Simon Bayer (VfL Sindelfingen)
Speerwurf: Andreas Hofmann (MTG Mannheim)
Zehnkampf: Arthur Abele (SSV Ulm 1846), Tim Nowak (SSV Ulm 1846)

Radsport
Frauen

Bahn, Ausdauer: Franziska Brauße (Metzingen/Ceratizit-WNT), Liane Lippert (Friedrichshafen/Sunweb)

Männer

Straße: Alexander Krieger (Ludwigsburg/Alpecin-Fenix), Nico Denz (Waldshut-Tiengen/DSM)
Mountainbike: Maximilian Brandl (Freiburg/Lexware), David List (Friedrichshafen/Lexware),Niklas Schehl (Freiburg/Stop&Go Marderabwehr), Julian Schelb (Münstertal/Stop&Go Marderabwehr), Luca Schwarzbauer (Kirchheim/Teck/Canyon-CLLCTV)
Bahn, Ausdauer: Dominic Weinstein (Donaueschingen), Benjamin Boos (Steißlingen/Leopard Pro Cycling/Ersatz)

Rudern
Frauen