Seit vier Jahren ist Harald Dietz Sportchef des Südwestrundfunks. Damals wurde er als „Netzwerker“ bezeichnet, sein Vorgänger
Michael Antwerpes als die „Rampensau“. SPORT in BW unterhielt sich mit dem 56-Jährigen kurz vor den Olympischen Winterspielen über TV-Rechte, die Nichtakzeptanz so mancher Sportart im Fernsehen und weitere aktuelle Themen.

Herr Dietz, als das IOC im Juni 2015 die TV-Rechte für Olympia an Discovery bzw. Eurosport vergeben hatte, wurde von einem Erdbeben auf dem olympischen TV-Markt gesprochen. Wie überrascht waren Sie damals?
Nicht sonderlich. Das Gefühl, dass das IOC eine große Lösung mit maximalem Gewinn und Outcome wollte, war länger spürbar. Der jahrzehntelange hochklassige Übertragungsstandard und die Zufriedenheit der Zuschauer mit den ARD/ZDF-Übertragungen waren am Ende nebensächlich. Wir sind zum wirtschaftlichen Umgang mit Beitragsgeldern verpflichtet, wir haben ein sehr hohes angemessenes Angebot abgegeben, mehr wäre nicht zu rechtfertigen gewesen.

Wie intensiv wurde in der Zwischenzeit mit Discovery, der Muttergesellschaft von Eurosport, gesprochen? Oder wurde von Seiten von ARD und ZDF einfach nur abgewartet bis Discovery endlich weich werden würde? Schließlich müssen die ihre 1,3 Milliarden Euro ja refinanzieren
Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir jederzeit gesprächsbereit sind, die Vorstellungen von Discovery für eventuelle TV-Liverechte waren zunächst allerdings utopisch. Und wir haben schweren Herzens entschieden, uns dann nur um Nachverwertungsrechte zu bemühen. Was den amerikanischen Chef von Discovery bewogen hat, uns doch noch umfangreiche Fernseh-, Radio- und Online-Rechte – inklusive Streaming – im Rahmen unserer wirtschaftlichen Möglichkeiten anzubieten, müssen Sie ihn fragen. Es ist aber auch ein Zeichen in den Markt, wenn ein großer Player wie Discovery die 1,3 Milliarden Euro offenbar doch nicht so einfach refinanzieren kann.

Haben ARD und ZDF eventuell zwischenzeitlich mit der Reduzierung von Übertragungen von anderen Events olympischer Sportarten gedroht
Nein. Nach der Entscheidung für Discovery haben wir uns zwar auch gewundert und geärgert über die eine oder andere Aussage von Verbandsfunktionären oder vermeintlich intelligenten Sportlern, dass ihre Sportarten jetzt endlich von Eurosport angemessen übertragen würden. Gerade in Rio wurden überproportional viele Hockeyspiele übertragen, und auch andere Sportarten finden seit Jahren regelmäßig  nur bei ARD und ZDF statt. Wir haben immer betont, dass wir zu unseren Zusagen den Olympischen Sportarten gegenüber stehen.  In der Leichtathletik haben wir 2017 die Sendestunden voraussichtlich sogar deutlich erhöht. Und auch andere Verabredungen sowie die Paralympics haben wir nie infrage gestellt. Im Gegenteil, wir hätten sogar höhere Produktionskosten in Kauf genommen. Auch haben wir die Planungen für einen „Tag der Deutschen Meisterschaften“ mit vielen Sportarten weiter betrieben, und mit den European Championships wird es vom 2. bis 12. August diesen Jahres ein neues großes Sportevent geben, das wir von Anfang an unterstützt haben. Dabei tragen in Glasgow und Berlin sieben Sportarten parallel Wettkämpfe und Europameisterschaften aus. Dies sind Leichtathletik, Turnen, Schwimmen, Rudern, Triathlon, Golf, Rad mit Bahn, Straße, BMX und Mountainbike.

Was hätten olympiafreie Zeiten für die ARD und im Speziellen für den Südwestrundfunk und Ihre Sportredaktion bedeutet? Außer der Tatsache, dass man Geld eingespart hätte?
Da solche Großereignisse in einem langfristigen ARD-Sportetat kalkuliert sind, hätte die SWR-Sportredaktion dadurch kein Geld eingespart.  Die Kollegen hätten ohne Olympia in den zwei Wochen ganz normale SWR-Jobs gemacht. Allerdings sind Olympische Spiele natürlich auch für Sportjournalisten immer ein Highlight, und da wollen die Besten selbstverständlich ihr Können zeigen. Auch deshalb freuen wir uns über  die Entwicklung. Negativ wäre Olympia ohne ARD und ZDF vor allem aber für die Zuschauer gewesen. Dann hätte es nicht nur bei ARD und ZDF,  sondern auch im SWR Fernsehen und in den anderen dritten Programmen sowie in allen öffentlich-rechtlichen Onlineangeboten keine Bilder zu sehen gegeben. Während Rio hat der SWR fast jeden Tag in den Nachrichtensendungen bei SWR Aktuell Bilder von den baden-württembergischen Sportler gezeigt. Das kann Eurosport gar nicht leisten.

Im Rundfunkstaatsvertrag ist unter § 4 geregelt, welche Großereignisse von den öffentlich-rechtlichen Sendern übertragen werden müssen. In dieser Liste werden jedoch nur Olympische Spiele sowie internationale und nationale Fußballspiele aufgeführt. Setzen auch Sie sich für eine Erweiterung der Liste ein? Zum Beispiel in Bezug auf Handball? Entschieden wird das Ganze ja von den einzelnen Landesregierungen
Das unwürdige Theater um die TV-Rechte bei den vergangenen Handball-WM unterstreicht den Handlungsbedarf. Wenn Verbände aus rein finanziellen Gründen TV-Verträge abschließen, die weder ARD und ZDF noch ein anderer Free-TV-Sender umsetzen können, dann ist das bitter für die Fans.  ARD und ZDF wollten die Handball-WM sehr gerne übertragen, aber es war schlicht technisch unmöglich, über Geld wurde dabei nämlich nicht  ein einziges Mal gesprochen. Wir haben viele Informationen für eine freie Empfangbarkeit von Handball-WM-Spielen in die „Positiv-Liste“ zugeliefert, die Entscheidung muss jedoch die Politik treffen. Warum werden Sportarten außer Fußball schlecht angenommen? Diese Frage stellen wir uns auch oft. Nehmen wir das Beispiel Handball: Diese Sportart wird von Konstanz bis Weinheim flächendeckend in Baden-Württemberg gespielt  und bundesweit bis Flensburg. Wir hatten in den vergangenen Wochen sieben Handballer bei Sport im Dritten als Studiogäste, die Akzeptanz war leider überschaubar. Der WDR verzeichnete mit dem Livespiel Gummersbach gegen Göppingen einen Marktanteil von 0,7 Prozent. Und das trotz der tollen Leistungen der Nationalmannschaft und der guten Quoten bei der EM. Bei anderen Sportarten lockt nicht einmal die Nationalmannschaft,  die Basketball-EM 2015 in Deutschland, damals noch mit Dirk Nowitzki, war absolut enttäuschend, Beachvolleyball bei Olympia ein Hit, schon kurz danach bei der WM: Kaum Interesse. Allgemein sehr gut angenommen wird der Sport dagegen bei uns in Kurzbeiträgen samstags und sonntags in den Sportblöcken bei SWR Aktuell, wo bis zu einer Million Menschen zuschauen: Dort haben wir im Jahr 2016 über mehr als 40 Sportarten berichtet.


Fühlen Sie sich als SWR-Sportchef von beispielsweise dem Rundfunkrat, und im Besonderen von den Vertretern des baden-württembergischen Sports, hinreichend unterstützt?

Frau Lehmann und Herr Fleischer haben trotz ihrer erst kurzen Zeit im Rundfunkrat zuletzt deutlich die Bedeutung des Sports für die Allgemeinheit und die Berichterstattung artikuliert. Das ist gut und wichtig. Und mit Herrn Drexler haben sie auch noch einen tatkräftigen Mitstreiter.

Zurück zu Olympia´2018 in Südkorea: Welchen Aufwand betreibt hier der SWR im Vorfeld? Wie viele Personen werden abgestellt? Wie muss man sich eine derartige Organisation vorstellen?
Die SWR-Sportredaktion wird in Südkorea und in Leipzig, wo die Heimatzentrale der ARD sein wird, mit dreizehn Kollegen für die Fernseh-, Radio- und Onlineberichterstattung vertreten sein. Das zeigt unsere Qualität sowie speziell unsere Kompetenz im Wintersport und freut mich sehr.

Welche Organisation steckt nun hinter einer zugegebenermaßen kurzen Vorbereitungszeit bis zu den Olympischen Winterspielen?
Schließlich gilt es ja auch, im Jahr 2018 die Fußball-WM zu übertragen?

Die Federführung für die Olympischen Winterspiele und damit für die ganze Vorplanung liegt innerhalb der ARD beim MDR. Die Kollegen sind ob der späten Entscheidung nicht zu beneiden, da zum Zeitpunkt des Deals mit Discovery alle Fristen für Booking und so weiter längst abgelaufen waren. Wir haben gerade mit der Vorbereitung der Fußball-WM, bei der wir die Federführung innerhalb der ARD für die komplette Berichterstattung im Fernsehen, Radio und im Netz, also Online und Social Media haben, genug zu tun. Nach der Auslosung und der Aufteilung der Spiele mit dem ZDF sowie der Entscheidung über den Standort des Deutschen Quartiers, hat die ganz heiße Phase begonnen. Daneben läuft ja der Regelbetrieb mit den aktuellen Regelsendungen normal weiter. Und im Wintersport ist die Sportredaktion des Südwestrundfunks für alle Skisprung- und fünfzig Prozent der Ski-Alpin-Übertragungen im In- und Ausland für die ARD zuständig. Uns ist nicht langweilig, wir freuen uns auf das große Sportjahr 2018.