Als Kim Oszvald-Renkema auf die Bühne ging, um bei der Trainerpreis-Verleihung des Landessportverbandes Baden-Württemberg (LSVBW) eine Laudatio zu halten, wirkte alles wie normal. Als die ehemalige Sportdirektorin der Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart jedoch mit den Worten „Lieber Tore“ begann, war klar, dass es emotional werden würde. Denn der Ehrenpreis des LSVBW ging an Tore Aleksandresen, den im Dezember 2023 verstorbenen Meistertrainer.

„Lieber Tore“, begann Kim Renkema ihre Würdigung, „ich habe mir im Moment vorgestellt, dass ich eine Laudatio auf Dich halte, Du aber im Publikum sitzt. Aber Dein Stuhl ist leer. Dein großes Lachen sehe ich vor mir, ich werde jetzt einfach so tun, als ob Du noch unter uns wärst.“ Die Zuhörer im Porsche-Museum hielten gebannt den Atem an.

Dann erzählte sie, wie im Dezember 2020 die Zusammenarbeit begann. Die ehemalige Sportdirektorin von Allianz MTV Stuttgart hatte bereits mehrere Gespräche mit Kandidaten geführt, „das richtige Bauchgefühl aber war nicht dabei“. Dann bekam sie den Tipp, es beim Norweger zu versuchen – der damals aber schon an Krebs erkrankt war. Die beiden telefonierten dennoch, „und es dauerte nur drei Minuten, um zu wissen: Das ist der Trainer, den wir brauchen“. Zunächst war nur an ein Engagement von fünf Monaten angedacht. „Wir hatten frischen Wind gebraucht, neue Impulse“, sagte Renkema. Dafür hat der ehrgeizige Titeljäger gesorgt. „Verlieren war nicht Dein Ding“, berichtete die Sportdirektorin. Und so wurde sein Vertrag immer wieder verlängert.

Schwäche zeigen – das war nicht das Ding des Tore Aleksandersen. Auch als seine Krebserkrankung schon weit fortgeschritten war, leitete der Norweger – soweit dies seine Chemo- und Immuntherapie an der Uniklinik Tübingen zuließ – das Training beim Volleyball-Bundesligisten. „Er hat nie gesagt, dass er krank sei“, berichtete Oszvald-Renkema. Haltung war Aleksandersen wichtig. Bis zu seinem Tod mit nur 55 Jahren im Dezember 2023.

Für den 1,89 Meter großen Aleksandersen gehörte zur Haltung auch, wie er auf seine Umwelt wirkte. „Tore war ein sehr eitler Mensch“, erzählt Oszvald-Renkema, „er hat sehr viel Wert darauf gelegt, wie er gekleidet ist und ausschaut.“ In Norwegen hatte er sogar eine eigene Modelinie. Neben Volleyball war Fashion Aleksandersens zweite Leidenschaft.

Volleyball aber, daran bestand nie ein Zweifel, stand im Mittelpunkt. „Ich liebe und lebe Volleyball“, beschrieb Aleksandersen seine Leidenschaft. „Tore hat sich Tag und Nacht Gedanken über Volleyball gemacht“, berichtet Oszvald-Renkema. Gefordert hat er stets höchsten Einsatz, galt als harter Hund. „Ich war teilweise schon verrückt“, hat er zugegeben, „wir haben manchmal mehr als 40 Stunden in der Woche trainiert, ich weiß nicht, wie die Spielerinnen das überlebt haben.“ Auch danach konnte er sehr energisch werden, wenn seine Vorstellungen nicht umgesetzt wurden. „Tore war ein aufrichtiger, ehrlicher Mensch“, beschreibt Kim Oszvald-Renkema den Menschen Aleksandersen, „er konnte keine Emotionen spielen. Wenn er sauer war, dann hat man ihm das genauso angesehen, wie wenn er gut gelaunt war.“ Allerdings wurde er, spätestens als er seine niederschmetternde Diagnose erhalten hatte, nachsichtiger.

Zu seinen Spielerinnen hatte er ein herzliches Verhältnis. Stets gab’s auch im Training Situationen, in denen alle miteinander herzhaft gelacht haben. Fordern und fördern war stets seine Devise. Kein Wunder also, dass der Erfolg nicht ausblieb. Zu vier Titeln führte er sein Team. Besonders emotional war jedoch das Finale 2023. Wegen seiner Erkrankung und der Therapie konnte Aleksandersen seine Mannschaft nicht bei allen Spielen an der Seitenlinie betreuen. Zum letzten Spiel der Saison begleitete er sie nach Potsdam. Gemeinsam konnten sie vor Ort den Triumph feiern. „Dieser Titel bedeutet uns enorm viel“, sagte Mittelblockerin Marie Schölzel: „Wenn der Headcoach da ist, ist es einfach etwas anderes. Die Mannschaft ist komplett mit ihm.“

Seine Krankheit hat er nie in den Vordergrund gestellt. „Ich möchte nicht, dass die Leute Mitleid haben.“ Er wollte auch nicht, dass seine Spielerinnen in der emotional sowieso fordernden Zeit übermäßig belastet werden. Trotzdem ist er damit sehr offen umgegangen, hat in den Medien darüber gesprochen. „Der Krebs ist wie eine Schlange. Du weißt nie, wie es läuft. Man kann nichts ändern, sondern muss die Dinge annehmen, so wie sie sind, und dann versuchen, das Beste zu tun.“

Tore Aleksandersen ist durch seinen Beruf als Volleyballtrainer in mehreren Ländern tätig gewesen. Neben seiner Heimat Norwegen waren die USA, Japan, Polen, Finnland, Türkei und Deutschland seine Stationen. Den SSC Palmberg Schwerin betreute er zweimal, MTV Allianz Stuttgart von Dezember 2020 an. In dieser Zeit hat er nicht nur in Form von sportlichen Erfolgen Spuren hinterlassen. Mit seiner Erfahrung hat er auch die Strukturen des Bundesligisten nachhaltig verändert.

Bei den vielen Fahrten zur Therapie an der Uniklinik in Tübingen, zu denen Aleksandresen von Oszvald-Renkema und anderen Mitgliedern der Allianz-MTV-Familie begleitet wurde, entwickelt sich schnell aus dem geschäftlichen Verhältnis zwischen Sportdirektorin und Trainer eine herzliche Freundschaft. Deshalb besuchte sie im Spätherbst 2023 den früheren Erfolgstrainer noch einmal in Norwegen im Kreise von dessen Familie („vier wundervolle Tage“). Wenige Tage später, am 6. Dezember 2023, erlag Tore Aleksandersen im Alter von 55 Jahren seinem Krebsleiden. „Tore stand immer positiv im Leben, aufgeben war nie eine Chance für ihn“, charakterisierte sie den Coach. Kurz: „Er war ein besonderer Mensch.“