
Die Olympischen Spiele 2024 in Paris sind Geschichte. Mehr als 80 Athletinnen und Athleten aus Baden-Württemberg, die von den drei Olympiastützpunkten (OSP) Freiburg-Schwarzwald, Metropolregion Rhein-Neckar und Stuttgart betreut werden, haben daran teilgenommen und sind mit vielen Eindrücken und Erlebnissen zurückgekehrt. 18 Athletinnen und Athleten haben eine Medaille gewonnen. Die OSP-Leiter Thomas Redhaber (Freiburg), Daniel Strigel (Rhein-Neckar) und Tim Lamsfuß (Stuttgart) ziehen Bilanz.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Abschneiden der Athletinnen und Athleten, die an Ihrem Olympiastützpunkt betreut werden?
Tim Lamsfuß: Der OSP Stuttgart ist mit dem Ergebnis der Olympischen Spiele 2024 in Paris sehr zufrieden. Aus sportlicher Sicht sprechen die hohe Anzahl an Nominierten sowie die Erfolge für sich. Neben diesen direkten Ergebnissen spielt für uns aber auch die langfristige, ganzheitliche Entwicklung der Athleten eine entscheidende Rolle, also wie werden Nachwuchsathleten erfolgreich in die Weltspitze geführt. Die hohe Dichte bei den Platzierten zeigt, dass wir hier mit unseren Betreuungsleistungen auf dem richtigen Weg sind.
Daniel Strigel: Alle Athletinnen und Athleten können sehr stolz und zufrieden sein, sich ihren Traum einer Teilnahme an Olympischen Spielen erfüllt zu haben. Mehr als 70 Prozent persönliche Bestleistungen, elf Medaillengewinner und insgesamt 20 Top-Ten-Platzierungen allein aus Rhein-Neckar – die Leistungsstärke Baden-Württembergs ist unübersehbar.
Thomas Redhaber: Grundsätzlich bin ich zufrieden. Im Radsport, im Ringen und auch im Fußball entscheiden im Verlauf eines Wettkampfs oft Kleinigkeiten über die Platzierung bzw. das Weiterkommen. Das muss man bei der individuellen Betrachtung berücksichtigen. Alle unsere Athletinnen und Athleten haben ihr Bestes gegeben und waren in Paris großartige Aushängeschilder der Region. Natürlich freut es mich sehr, dass die Fußballerinnen Bronze gewonnen haben und vier Spielerinnen dabei waren, die in den letzten Jahren im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem SC Freiburg am OSP bzw. im OSP-Internat waren.
Was hat Sie besonders gefreut? Vielleicht sogar überrascht?
Tim Lamsfuß: Besonders erfreulich ist es immer, wenn Athleten im Wettkampf über sich hinauswachsen. Dies ist das Ergebnis harter Arbeit, Disziplin und der Zusammenarbeit im Betreuungsteam. Eine besondere Freude waren die außergewöhnlichen Wettkämpfe und die Gold-Erfolge von Darja Varfolomeev (Rhythmische Sportgymnastik) und Yemisi Ogunleye (Kugelstoßen) sowie der Olympiasieg von Michael Jung (Vielseitigkeitsreiten). Hut ab vor diesen Leistungen. Aber auch die Silbermedaillen von Leo Neugebauer (Zehnkampf) sowie von Sebastian Heymann und Kai Häffner (Handball) waren der Wahnsinn. Ein weiterer Grund zur Freude war es, dass Margarita Kolosov (Rhythmische Sportgymnastik), Annett Kaufmann (Tischtennis), Robin Walter (Sportschießen) und Helen Kevric (Turnen) ins spitzensportliche Rampenlicht getreten sind und sich gegen erfahrene Konkurrenten behaupten konnten. Diese Momente zeigen, dass der langfristige Entwicklungsansatz funktioniert und die nächste Generation von Spitzensportlern auf einem sehr guten Weg ist.
Daniel Strigel: Die Gesamtleistung der kleinen Gruppe, die vom OSP Metropolregion Rhein-Neckar betreut wird, ist wirklich toll. Bei fast allen hat es einfach gepasst bei diesem Wettkampf, es ist schon etwas Besonderes, dass das so bei einem Event zusammenfällt. Die Handballer schlagen Spanien und Frankreich, Yemisi Ogunleye wird tatsächlich Olympiasiegerin und Malaika Mihambo holt Silber – beide nach einer schwierigen Saison, während der nicht immer klar war, ob sie einen Start gesundheitlich überhaupt schaffen. Eine Riesen-Energieleistung von diesen starken jungen Frauen! Und dann noch Sarah Brüßler, die sich in den letzten Jahren buchstäblich in die Kanu-Rennsport-Weltspitze hochgekämpft hat und das nun mit der Silbermedaille krönt. Beeindruckend auch Josha Salchow und Luca Armbruster, die beide ihr Ding gemacht und im Schwimmbecken gezeigt haben, was dann drin ist – einfach toll alles.
Thomas Redhaber: Die Leistungen von Ringerin Annika Wendle haben mich besonders gefreut. Dass ihr nach ihrer Nachnominierung für Paris gegen die Türkin Zeynep Yetgil, gegen die sie im Qualifikationsturnier in der Türkei nach einer umstrittenen Kampfrichterentscheidung verloren hatte, ein Sieg gelingt, war schon eine beeindruckende Leistung. Umso trauriger war es, dass sie sich im Kampf um Bronze schon nach 19 Sekunden so schwer verletzt hat (Anriss des hinteren Kreuzbandes und eines Außenbandes; Anm. der Redaktion) und dadurch anschließend chancenlos war.
Sehen Sie Punkte in Ihrem OSP-Serviceangebot, die sich in Zukunft verändern könnten?
Tim Lamsfuß: Die Weiterentwicklung des Serviceangebots ist ein fortlaufender Prozess, der sich an den sich verändernden Anforderungen des Hochleistungssports orientiert. Natürlich gibt es schon Veränderungsideen wie zum Beispiel Big Data zur verbesserten Datenerfassung, Datenverarbeitung und vor allem zur Ableitung von Erkenntnissen, noch stärker maßgeschneiderte Trainings- und Betreuungspläne, Verbesserung der mentalen Gesundheit und Resilienz der Athletinnen und Athleten, Internationalisierung und situationsbezogene Förderung. Jetzt erfolgt erstmal eine Analyse der Spiele in Paris. Danach legen wir fest, wie wir uns in Richtung Olympische Spiele 2028 in Los Angeles aufstellen.
Daniel Strigel: Unsere Arbeit muss auf jeden Fall noch vernetzter und interdisziplinärer, datenbasierter und individualisierter werden. Das Kunststück, mit einem geringen Budget das komplette Spektrum der sportartübergreifenden Leistungsfaktoren abzudecken, kann weiterhin nur in ausgeprägtem Teamwork aller Beteiligten gelingen.
Thomas Redhaber: An unserem Serviceangebot sollen sich in Zukunft definitiv Dinge ändern, um die Unterstützung unserer Athletinnen und Athleten zu verbessern. Wir möchten zum Beispiel die Rahmenbedingungen der Dualen Karriere mit unseren regionalen Partnern (Schulen, Hochschulen, Arbeitgeber) weiter vorantreiben oder zum Beispiel das Thema Verletzungsprävention und Reha mit einem Athletiktrainer personell besser aufstellen. Da gibt es noch viele Dinge, die aber weniger von aktuellen Geschehnissen bei den Olympischen Spielen beeinflusst werden, sondern eher langfristig angelegt sind.