
Stuttgart, 29.11.2024. Es war eine Bestandserhebung und Zukunftsbeschau, die Sportministerin Theresa Schopper und Jürgen Scholz, Präsident des Landessportverbandes Baden-Württemberg (LSVBW), beim Talk „SportHorizonte“ im LBBW-Forum in Stuttgart vornahmen. Der Fokus der Podiumsdiskussion stand im Zeichen der die drei Facetten der Sportvereinswelt: „Gesellschaftliches Allheilmittel – Ehrenamt – Kaderschmiede?“ Welche Rolle spielen Sportvereine im Jahr 2025? Können sie die Rolle des gesellschaftlichen Allheilmittels nach wie vor übernehmen? Wie steht’s um das Engagement im Ehrenamtsbundesland Nummer eins? Sind sie noch Kaderschmieden für Leistungssportler?
„Unsere Sportvereine sind tragende Stützen in unserer Gesellschaft. Wir alle fühlen uns in unseren Vereinen wohl, wir treiben dort gerne Sport, wir erfreuen uns an der Gemeinschaft. Vereinsarbeit leistet sehr viel. Sport steigert unsere Gesundheit, vermittelt Werte, verbindet Menschen. Kurzum: Sport im Verein bereichert unser Leben. Deshalb unterstützen wir als Land den organisierten Sport mit etwa 105 Millionen Euro pro Jahr. Deshalb fördern wir mit Programmen wie Jugend trainiert für Olympia & Paralympics oder der Kooperation „Schule – Verein“, sagt Sportministerin Theresa Schopper und fügt an: „Insgesamt dürfen wir uns glücklich schätzen und stolz sein, dass wir im Südwesten auf ein starkes ehrenamtliches und zivilgesellschaftliches Engagement bauen können – im Sport wie auch in vielen anderen Bereichen. Und genauso gut ist es, dass wir uns regelmäßig und gut mit dem Sport austauschen. Formate wie die Veranstaltung SportHorizonte helfen uns dabei, unser Sportland Baden-Württemberg weiterzuentwickeln.“
In seinem Impulsreferat präsentierte Professor Christoph Breuer, Leiter des Instituts für Sportökonomie und Sportmanagement an der Deutschen Sporthochschule in Köln, die aktuellen Zahlen des Sportentwicklungsbericht. Diese kommentierte Jürgen Scholz: „Professor Breuer hat uns die strukturellen Herausforderungen dargestellt, Baden-Württemberg liegt in vielen Bereichen jedoch über dem Durchschnitt aller Bundesländer, das ist gut so und gleichzeitig die Aufforderung noch besser zu werden.“
Dabei ist der Kampfgeist bewundernswert: Immer wieder wurde den Sportvereinen prophezeit, sie müssten an ihrer Zukunftsfähigkeit feilen. Doch Vereine trotzen allen Widrigkeiten: Kriegen, Wirtschaftskrisen und Pandemien. Immer wieder haben engagierte, ehrenamtlich tätige Bürger die Sportvereine neu erfunden. Zuletzt haben bei der Bestandserhebung 2024 die 11 268 Sportvereine in Baden-Württemberg mehr als 4,18 Millionen Mitgliedschaften gemeldet – so viele wie noch nie. 36,9 Prozent aller Baden-Württemberger sind damit Mitglied in einem Sportverein. Baden-Württemberg hat damit den höchsten Organisationsgrad im Bundesvergleich. Der Deutsche Olympische Sportbund hat deshalb Baden-Württemberg als sportlichstes Bundesland tituliert.
Trotzdem gibt es offene Fragen, wie Sportvereine aktuelle und auch künftige Herausforderungen bewältigen können. Trotz des regen Zulaufs sind immer weniger Menschen bereit zu einer ehrenamtlichen Mitarbeit. Viele Positionen in den Vorständen der Vereine und Abteilungen bleiben unbesetzt. Das Thema Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule und die damit verbundenen Auswirkungen beschäftigt die Vereine. Viele Vereine sind zu Kooperationen bereit, aber unter welchen Konditionen? In diesem Zusammenhang wurde auch die Stundentafel G9 thematisiert, in der trotz eines Schuljahres mehr kein Ausbau der Sportstunden vorgesehen ist. Und wie sieht es mit dem Finden von Sporttalenten aus, die an die Spitze streben?
Zum Selbstverständnis der Sportvereine gehört mit einer Zustimmung von 77,8 Prozent, dass sie sich im Kinder- und Jugendsport engagieren. Gleichzeitig gibt es in der Hälfte der Sportvereine keine Jugendsprecherin oder Jugendsprecher oder gar eine Jugendvertretung im Gesamtvorstand. Diese fehlenden Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche erschweren die Gewinnung jungen Ehrenamts. Dabei ist die Gewinnung und Bindung von ehrenamtlichen Funktionsträgerinnen und -trägern, von Trainerinnen und Trainern eine der großen Herausforderungen der Sportvereine. „Grundsätzlich lebt der Sport vom Ehrenamt“, sagte LSVBW-Präsident Scholz.
Viele Sportvereine identifizieren den Leistungssport nicht mehr als ihre primäre Sportwelt. Ein Drittel versteht sich dabei als Kaderschmiede. Für eine große Anzahl haben der Gesundheits- und Seniorensport eine größere Bedeutung. „Leistungssport ist herausfordernd“, erklärte Scholz, „man braucht entsprechend ausgebildete Trainerinnen und Trainer, die die Talente erkennen und fördern und sie zu Wettkämpfen begleiten.“ Zusätzlich braucht es aber auch die Unterstützung durch die Eltern.
In den angesprochenen Themenfeldern kann Baden-Württemberg in den kommenden zwei Jahren Weichenstellungen beeinflussen. Die Landesregierung übernimmt zum 1. Januar den Vorsitz in der Sportministerkonferenz und der LSVBW den der Konferenz der Landessportbünde. Sportministerin Theresa Schopper und LSVBW-Präsident Jürgen Scholz spielten gekonnt den Doppelpass. Auf ein Neues dann 2025 und 2026.