Jürgen Scholz, Vorsitzender des LSV-Präsidialausschusses Leistungssport

Seit zwei Jahren ist Jürgen Scholz Vorsitzender des LSV-Präsidialausschusses Leistungssport, kurz PAuLe genannt. Im folgenden Interview schildert der 57-jährige Sersheimer Bürgermeister und Präsident des Württembergischen Leichtathletik-Verbandes seine Eindrücke der letzten Monate und nennt Ziele und Aufgaben in Bezug auf die weitere Ausgestaltung des Leistungssports im Lande.

Herr Scholz, Sie sind seit etwas mehr als zwei Jahren Vorsitzender des Präsidialausschusses Leistungssport des LSV. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Ich bin absolut zufrieden mit der Arbeit in unserem neuen Präsidialausschuss Leistungssport. Wir haben mit dem PAuLe Neuland betreten, das Gremium funktioniert. Und das soll bitte kein Selbstlob sein, aber wir alle sind ein Team, die Ehren- und Hauptamtlichen, die Vertreter der Cluster und der Sportbünde im PAuLe, die Mitarbeiter der Olympiastützpunkte wie auch des Kultusministeriums. Allerdings ist die zeitliche Beanspruchung doch weiter unglaublich hoch.

Die Mitglieder des Ausschusses wurden bis auf die gerade genannten Vertreter der Sportbünde, Olympiastützpunkte und des Ministeriums über sogenannte Cluster gewählt. Welche Vorteile sehen Sie darin?
Das liegt auf der Hand. Wir haben zum ersten Mal direkt gewählte Mitglieder im PAuLe, die ihren Clustern Informationen zu Entscheidungen geben oder als Mittler zwischen Ausschuss und Cluster fungieren. Die Legitimation der Mitglieder des Präsidialausschusses ist enorm gestiegen und zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Letztendlich haben wir ja den Auftrag, die uns zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel und die Forderungen aus dem Leistungssport gerecht abzuwägen
und über deren Verwendung zu entscheiden. Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang aber auch der Austausch untereinander. Man lernt nicht zuletzt Stärken und Schwächen anderer Sportarten kennen. Und ich bin absolut überzeugt: Nur durch diese Struktur können wir der Förderung des Leistungssports annähernd gerecht werden, und nur so sind die leistungssportlichen Probleme gut aufgehoben. Wir können nicht Volleyball mit Leichtathletik und Handball mit Kanu vergleichen.

Sie sprachen von strukturellen Veränderungen. Was meinen Sie genau?
Wir haben uns von vorneherein eine, sagen wir mal Geschäftsordnung, gegeben. Wir tagen vier, maximal fünf Mal im Jahr, alle Termine stehen bereits zu Jahresbeginn fest. Die Tagesordnung ist sehr stringent gehalten, vom Hauptamt um Uli Derad und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Geschäftsstelle hervorragend vorbereitet. Und was mir ganz wichtig erscheint: Wir tagen nicht mehr im Geheimen, die Ergebnisse sind öffentlich und transparent, und das ist aus meiner Sicht sehr wichtig.

Da gehen Sie zum Teil durchaus neue Wege.
Ja, aber ich habe an gleicher Stelle schon vor einem Jahr gesagt: Früher wurde ja um Gottes Willen nichts absichtlich geheim gehalten. Aber wir möchten auch bei negativen Entscheidungen eine größtmögliche Transparenz und Nachvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidung bieten. Also, wenn man so will, ein Stück unmittelbare Mitwirkung durch die Cluster und deren Vertreter.

Erklären Sie bitte für die Leser, die inhaltlich nicht so sehr in der Materie zu Hause sind, in welche Cluster sich die Sportartenvertreter aufteilen.
Das sind Behindertensport, Individualsportarten (olympisch), Individualsportarten (olympisch, mit Naturbezug, wie z. B. Kanu oder Schneesport), Nicht-Olympische Mannschaftsspielsportarten sowie Kampfsportarten und Rückschlagspiele. Und dann eben die Vertreter der OSP, der Sportbünde, des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport sowie das Hauptamt des LSV.

Entscheidungen im investiven Bereich fällt Ihr Ausschuss aber weiterhin nicht?
Nein, wir bewerten diese lediglich aus sportfachlicher Sicht nach Vorlage durch das Sportreferat des Kultusministeriums. Getroffen werden die Entscheidungen dann im geschäftsführenden LSV-Präsidium.

Eine der Kernaufgaben des LSV ist die Förderung des Leistungssports. Fühlen Sie sich im Präsidium weiterhin gut aufgehoben?
Eindeutig ja, ich denke wir als Gremium und ich als dessen Vorsitzender werden im Präsidium sehr ernst genommen. Die Förderung des Leistungssports ist in der Tat eine der Kernaufgaben des Landessportverbandes. Ich denke, dass die Satzungsreform, nach langen Diskussionen im Vorfeld, nunmehr in den Köpfen angekommen ist, der Leistungssport hat ganz gewiss eine starke Stellung in unserem Präsidium.

In der zweiten Hälfte des letzten Jahres ging es insbesondere um die Umsetzung der Leistungssportreform des DOSB, auf das Land heruntergebrochen. Ein Schwerpunkt lag in der Neustrukturierung der Olympiastützpunkte.
Das war in der Tat eine Herkulesaufgabe, aber es hat sich ausgezahlt, dass wir in Baden-Württemberg mit unseren drei Olympiastützpunkten und Tauberbischofsheim mit Fechten hier gegenüber dem DOSB schnell aktiv geworden sind. Da hatten wir anderen Bundesländern einiges voraus. Wir haben sehr schnell konkrete Lösungen parat gehabt und diese mit dem DOSB diskutiert und dann auch verabschiedet. Die Betriebsübergänge der einzelnen OSP-Standorte Stuttgart, Metropolregion Rhein-Neckar und Freiburg-Schwarzwald war eine riesige Herausforderung, nicht zuletzt auch für die hauptamtlichen Mitarbeiter des LSV. Aber wir haben uns nun einmal das Datum 1.1.2018 gesetzt und waren mehr als nur gewillt, diesen Termin auch einzuhalten. Was uns ja schließlich auch gelungen ist. Insgesamt gesehen hat alles gut funktioniert, der Transformationsprozess ist freilich in vollem Gange, die Olympiastützpunkte öffnen sich, werden transparenter. Und das ist gut so. Sie sind schließlich ein Teil eines großen Puzzles im Leistungssportspektrum unseres Landes.

Die Selbstständigkeit der Olympiastützpunkte in Baden-Württemberg stand aber nicht in Frage?
Wir nennen das ein dezentrales Modell mit zentraler Führungsstruktur des LSV. Neuer Rechtsträger der Olympiastützpunkte im Land ist wie gesagt nunmehr der LSV. Die bisherigen Trägervereine wandeln sich in Fördervereine mitsamt eventuell bereits existierenden Fördergesellschaften um. Wichtig ist, dass die drei Olympiastützpunkte weiterhin zentrale Service- und Betreuungseinrichtungen für Olympia-, Perspektiv- und Aufbaukader sowie deren Trainer sind. Unsere getroffene Grundvereinbarung ist gut und kann Kräfte bündeln. Sagen wir so: Aus drei Einzelsportlern haben wir ein Team gebildet. Aber auch in Tauberbischofsheim werden die Serviceleistungen für den Bundesstützpunkt Fechten beibehalten.

In den vergangenen Monaten wurden Begrifflichkeiten diskutiert und mit Leben erfüllt, die nicht jedem geläufig sind. Ein paar Worte Ihrerseits zum Thema Kaderrichtwerte.
Es geht hier ganz grob darum, wie viele Kaderangehörige kann und darf eine Sportart haben. Neben der Sportmedizin musste auch aufgrund anderer Bereiche wie Lehrgangsmittel, Deputatsstunden für Partnerschulen usw. eine Konzentration der D-Kaderzahlen erfolgen. In unserer letzten Sitzung des PAuLe am 3. Juli haben wir nun Kaderrichtwerte für den Landeskader, ehemals D3/D4-Kader, sowie den NK2-Kader, den ehemaligen D/C-Kader, verabschiedet. Es sind nunmehr 2154, bisher waren es 1671. Ich möchte aber betonen, dass wir nichts aufgebläht, sondern die Zahlen den realen Bedingungen und Notwendigkeiten innerhalb der Sportarten angepasst haben.

Es gab und gibt verschiedene AGs, ganz grob mit welchem Inhalt?
Mit am umfangreichsten ist sicherlich die AG Berufsbild. Dieses wurde komplett überarbeitet und in der Juni-Sitzung vorgestellt. Es ging um: Berufsqualifikation, Vergütungsordnung, Funktionsstellen, Erfahrungsstufen, Arbeitszeit, Qualitätsmanagement, Themen wie Dienst- oder Fachaufsicht, usw. Als Leichtathlet würde ich sagen, wir sind hier kurz vor dem Zieleinlauf. Bei der AG Förderkonzept befinden wir uns auch schon auf der Zielgeraden. Ich halte das für einen sehr ausgewogenen Entwurf, der nun im August auch in den Clustern diskutiert wurde. Und schließlich gibt es noch die AG Bildung, Lehre, Wissenstransfer, was im Prinzip eine wiederkehrende Aufgabe ist und von Karl Weinmann ehrenamtlich geleitet wird. Auch hier wird eine hervorragende Arbeit geleistet.

Reden wir am Ende noch ein bisschen über Geld. Über welche Summen sprechen wir eigentlich, wenn es um das Thema Leistungssport in Baden-Württemberg geht?
Ganz grob reden wir über Gesamtausgaben in Höhe von rund 16 Millionen Euro im Jahr. Zirka 10 Millionen werden direkt durch den LSV bzw. den PAuLe bewirtschaftet. Hierzu gehören unter anderem Leistungssportpersonal mit 5,84 Millionen, Sachkosten mit 2,37 Millionen, und dann weitere kleinere Beträge für Folgekosten, Stützunterricht, Maßnahmen zur Dopingprävention, Trainerfortbildungen usw. und rund 6,2 Millionen Euro werden durch den LSV und das Kultusministerium bewirtschaftet, also für die Bereiche Olympiastützpunkte, Sportmedizin, Lehrertrainer, Investitionen und einiges mehr.

Und wie sieht die Mittelverteilung für 2019 aus?
Das wissen wir jetzt noch nicht genau. Schließlich haben wir da noch ein paar Monate Zeit. Aber zuletzt haben ja mit den meisten Sportarten Strukturgespräche stattgefunden. Diese müssen nun ausgewertet werden. Mit Aufwüchsen ist eher nicht zu rechnen. Für das Jahr 2020, da lehne ich mich jetzt mal etwas aus dem Fenster, sollten Zuwächse möglich sein. Es kann aber bei der einen oder anderen Sportart auch weniger sein.

Das Interview führte Joachim Spägele für SPORT in BW Ausgabe 09/2018