
Der iranische Kanute Saeid Fazloula lebt seit 2015 in Karlsruhe, startet bei den Olympischen Spielen für das Refugee-Team.
Das Ziel bleibt, wie vor drei Jahren auch schon bei den Olympischen Spielen in Tokio. „Ich will unbedingt ins B-Finale“, sagt Saeid Fazloula. Der 31 Jahre alte Kanute hatte dieses Ziel damals verpasst, weil er kurz vor den Spielen in Japan in Quarantäne musste. Auf Platz 20 wird er in den Ergebnislisten geführt. Vor seinen zweiten Spielen schätzt er seine Stärke realistisch ein: „Ich gehöre nicht zu den Top-Ten, aber ich bin nicht weit weg von der Weltspitze.“ Etwa vier bis fünf Sekunden beträgt sein Rückstand.
Es war ein spannender Moment für Said Fazloula, als Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Anfang Mai das Refugee-Team für Paris bekanntgab. Mit Saeid Fazloula. Der ist 2015 aus dem Iran geflüchtet und lebt seitdem in Karlsruhe. 2016, vor den Spielen in Rio de Janeiro, hatte der Vizemeister der Asienspiele 2014 bereits auf eine Nominierung gehofft. Vergeblich.
„Ich will noch einmal richtige Olympische Spiele erleben“, sagt der Kanute, „ich will das erleben, was ich in Tokio verpasst habe.“ Dabei denkt er vor allem an die Atmosphäre. Sowohl bei der Eröffnungsfeier auf der Seine wie auch an der Regattastrecke in Vaires-sur-Marne. Die Unterstützung durch die Zuschauer wird er genießen, denn es wird das letzte Mal sein. Nach Paris will er mit dem Leistungssport aufhören. In diese Vorfreude mischt sich allerdings auch ein wenig Angst vor Terroranschlägen angesichts der diversen Krisenherde auf der Welt. Doch der Iraner denkt positiv, ist sich sicher, dass sich Frankreich gut vorbereiten wird. „Ich wünsche mir Sicherheit für alle – für die Sportler, für die Bevölkerung, für die Besucher“, sagt er.
Er selbst will seine Erfahrungen aus Tokio umsetzen. „Ich versuche die Ruhe zu bewahren, nicht so hektisch zu agieren“, erzählt er. Bereits im Vorfeld will er sich gemeinsam mit seinem persönlichen Betreuer Ralf Redig mehrere Pläne zurechtlegen, „damit ich je nach Auslosung die passende Entscheidung treffen kann“. Denn sollte er, wie zuletzt beim Weltcup in Szeged, in einen Vorlauf mit starken Gegnern gelost werden, dann gilt es Kräfte zu sparen für das Viertelfinale. Verfügen die Konkurrenten jedoch alle in etwa über seine Leistungsstärke, „dann bedeutet dies von Anfang bis Ende voll durchknallen“.
Bei den Spielen trifft Saeid Fazloula auch seinen früheren Partner Ali Aghamirzael, mit dem er bei den Asienspielen im Kajak-Zweier Silber gewonnen hatte. Aghamirzael startet nach wie vor für den Iran. Der Kontakt ist trotz Fazloulas Flucht nie abgebrochen. „Direkt gegeneinander sind wir noch nie gefahren“, berichtet Fazloula, „von der Tagesform hängt ab, wer schneller ist.“ In Tokio war für beide im Viertelfinale Endstation. „Ich war ein paar Zehntelsekunden schneller“, sagt Fazloula.
Bevor Said Fazloula 2015 nach Deutschland geflüchtet ist, hatte er eine wahre Odyssee erleben müssen. Bei einem Aufenthalt in Mailand hatte er ein Selfie vor dem Dom geschossen. Für das Mullah-Regime stand danach fest, dass er zum Christentum konvertiert sei. Und hat ihn bei der Rückkehr sofort am Flughafen verhaften lassen, mit der Todesstrafe gedroht. Als er nach zwei Tagen freigelassen wurde, flüchtete er.
Obwohl seine Eltern noch in Bandar Anzali, einer Stadt am Kaspischen Meer, leben und damit jederzeit der Gefahr weiterer Repressalien durch das Regime ausgesetzt sind, scheut sich Saeid Fazloula nicht, Vorgänge in seiner früheren Heimat zu kritisieren. So wie im Herbst 2022, als eine junge Frau nach der Festnahme durch die iranische Sittenpolizei gestorben ist. „Den Mund halten ist nicht meines“, sagt Fazloula, „ich kann nicht ruhig bleiben und sagen: Ich lebe in Deutschland in Sicherheit und was im Iran passiert, ist mir egal.“ Er sieht sich diesbezüglich als bekannter Sportler in einer privilegierten Rolle.
Ansonsten ist Saeid Fazloula in Deutschland vollkommen integriert. Auch mit Hilfe des Sports. Er hat eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann gemacht, geheiratet und seit 15 Monaten einen Sohn. In diesen Tagen erscheint zudem ein Buch, in dem Saeid Fazloula über seine Erlebnisse und Erfahrungen schreibt. Seine Motivation: „Ich wollte immer zeigen, was möglich ist, auch wenn es unmöglich erscheint. Denn zu kämpfen lohnt sich immer.“