
Schon als Bundestrainer der deutschen Ringerinnen hat Patrick Loës Spitzenathletinnen aus anderen Nationen an den OSP Freiburg-Schwarzwald als Trainingspartnerinnen geholt. Weil internationale Trainingsgruppen zu mehr Erfolg führen, will er diese künftig in neuer Position weiter ausbauen.
Elf Jahre war Patrick Loës Cheftrainer der deutschen Freistilringerinnen. Es waren elf erfolgreiche Jahre. Mit dem historischen Gewinn der Goldmedaille von Aline Rotter-Focken bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio. Mit Platz fünf durch Annika Wendle drei Jahre später in Paris. Dazu kommen top-ten-Platzierungen durch Luisa Niemesch und Anasatasia Blayvas in Paris, Anna Schell in Tokio sowie Aline RotterFocken in Rio de Janeiro. „Das Ziel von Aline und mir war es, die erste Medaille im Ringen der Frauen zu holen“, sagt Loës. Darauf stellte er sich die Frage: „Will ich einen vierten olympischen Zyklus im selben System bestreiten?“ Für das Nein auf diese Frage hat er nicht lange gebraucht, hat deswegen zum Jahresende 2024 seinen Vertrag beim Deutschen Ringerbund gekündigt. „Ich habe eine neue Herausforderung in einem neuen Umfeld gesucht“, erläutert der 38-jährige Coach.
Dieses hat er gefunden, an seinem alten Arbeitsplatz. Als Cheftrainer der Schweizer Frauen konnte Patrick Loës in Freiburg bleiben, denn Svenja Jungo und Annatina Lippuner, die beide noch in der U20-Klasse antreten können, haben bereits vorher am Bundesstützpunkt Ringen am Olympiastützpunkt Freiburg-Schwarzwald trainiert. „An der Arbeit mit Svenja und Annatina reizt mich, sie als erste Schweizer Ringerinnen zu Olympischen Spielen zu führen“, sagt der Trainer. Egal ob 2028 in Los Angeles oder 2032 in Melbourne.
Da der Schweizer Trainerposten jedoch nur als halbe Stelle konzipiert ist, benötigte Patrick Loës noch eine weitere Beschäftigung. In den Schuldienst wollte der 38-Jährige, der Sport und Geschichte sowie Pädagogik studiert hat, nicht wieder zurück. Doch am Olympiastützpunkt gab’s Veränderungen. So kam es, dass er weiter die Ringerinnen betreut, aber nicht mehr auf der Matte, sondern im Umfeldmanagement. Als Berater soll er bei Fragen zur beruflichen Laufbahn unterstützen. Sein weiteres Arbeitsfeld: Er soll über den nationalen Tellerrand hinaus ins Ausland schauen. „Wenn man nur in seiner Blase bleibt, dann bedeutet das Rückschritt“, sagt er. Daran schließt er zwei Fragen an: „Was machen andere Nationen anders? Was können wir von ihnen lernen?“ Der internationale Austausch werde immer wichtiger, ist sich Patrick Loës sicher. „Wenn man sich die Trainingssituation vieler Medaillengewinner bei internationalen Meisterschaften anschaut, dann trainieren diese meist in einer Gruppe mit Athletinnen und Athleten aus mehreren Nationen.“ Er selbst war auf diesem Feld bereits als Ringertrainer erfolgreich tätig, hat Welt- und Europameisterinnen aus Schweden sowie Olympiasiegerinnen aus China nach Freiburg gelotst. „So haben wir die Qualität im Training steigern können“, argumentiert Loës. Diesen Transfer möchte er künftig noch verstärken. Denn grundsätzlich sieht der Trainer in diesem Punkt einen großen Nachholbedarf in Deutschland.
„Wir geben viel Geld für punktuelle Trainingslager im Ausland aus“, erklärt der Coach, „aber langfristig ist es besser, permanent ein qualitativ hochwertiges Training zu haben.“ Deshalb organisiert Ringer-Landestrainer Mario Sachs schon seit mehreren Jahren ein Euro-Trainings-Camp, zu dem Ringerinnen und Ringen aus bis zu sechs Nationen nach Freiburg kommen. Mit Patrick Loës hat er nun einen Kollegen, der diese Kooperationen weiter ausbaut.
Über internationale Trainingsgruppen könnten noch weitere Win-win-Situationen geschaffen werden. Kleinere Nationen können sich nicht immer einen Vollzeittrainer leisten. So wie die Schweizer Ringer Loës auch nur einen halben Job anbieten konnten. Wenn sich mehrere Nationen das Gehalt eines Coaches teilen, ist allen geholfen. Wie dies am OSP Freiburg-Schwarzwald im Biathlon praktiziert wird. Zunächst betreut Biathlon-Landestrainer Roman Böttcher deutsche Spitzenathleten wie Routinier Roman Rees und Nachwuchshoffnung Julia Tannheimer. Zu dieser Trainingsgruppe gehören auch der Belgier Thierry Langer und die Schweizerin Susi Meinen. „Durch die besseren Rahmenbedingungen am OSP Freiburg und am Trainingszentrum Notschrei, gemeinsam mit starken Trainingspartnern und einem ausgereiften Expertenteam, erhoffe ich mir den nächsten Schritt zu höheren Leistungen“, erklärte Langer, der im vergangenen Sommer Bronze bei der Sommer-Weltmeisterschaft im Sprint in Otepää gewann. Die guten Trainingsmöglichkeiten und Betreuungsangebote nutzt auch das belgische Biathlon-Nachwuchsteam und kommt im Juli zu einem Lehrgang in den Südschwarzwald.
Für Patrick Loës bringen diese Kooperationen noch einen positiven Effekt mit sich: „Auf diese Art können auch gut ausgebildete Trainer in Deutschland weiter gehalten werden.“ Und so lautet sein Fazit: „Es ist schön, dass man in Baden-Württemberg diesen Weitblick hat.“