Jürgen Scholz ist mehr als sieben Monate Präsident des Landessportverbandes Baden-Württemberg (LSVBW). Im Interview mit „Sport in BW“ spricht der 62-Jährige über die Herausforderungen, die den Sport, seine Verbände und Vereine betreffen und deren Zukunft berühren. Und er erklärt, wie diese gemeistert werden können.

Herr Scholz, Sie sind seit Juli 2022 LSVBW-Präsident. Gab es in dieser Zeit angesichts der dicht aufeinander folgenden Krisen eine Situation, in der Sie Ihre Entscheidung zu kandidieren bereut haben?
Natürlich nicht. Ich war ja schon einige Jahre in verschiedenen verantwortlichen Positionen im Sport tätig, deshalb wusste ich ziemlich genau, auf was ich mich einlasse und was auf mich zukommt.

Sie waren davor 18 Jahre Präsident der württembergischen Leichtathletik. Inwiefern unterscheiden sich die beiden Ämter?
Grundsätzlich unterscheiden sich die Aufgaben in beiden Ämtern nicht so großartig. Allerdings habe ich als LSVBW-Präsident mehr Termine und Gespräche bei den diversen Partnern unter der Woche. Als Leichtathletik-Präsident war ich mehr an den Wochenenden bei Sportfesten im Einsatz. Wenn es machbar ist, schaue ich auch weiter gerne bei den Leichtathleten vorbei, denn denen gehört nach wie vor mein Herzblut.

Welche Schwerpunkte haben Sie in den ersten Monaten Ihrer Amtszeit gelegt?
Zunächst standen einmal die Antrittsbesuche bei der Politik und Partnern an, mit denen der organisierte Sport schon seit Jahren zusammenarbeitet. Das Treffen mit unserer Sportministerin Theresa Schopper war für mich besonders wertvoll. Da der Sport aber auch in die Bereiche anderer Ministerien hineinreicht, habe ich auch das Gespräch mit den Ministerinnen und Ministern aus den verschiedenen Ressorts gesucht.

Sie haben also das politische Netzwerk weiter geknüpft.
Mir ist wichtig, dass der Sport gehört wird und dass die verschiedenen Partner in der Politik wissen, dass sie einen verlässlichen Partner haben. Dafür braucht man Vertrauen und Respekt. Wenn das, was wir sagen, am Ende in die Entscheidung einfließt, dann kommen wir voran.

Als langjähriger Vorsitzender des Präsidialausschusses Leistungssport (PauLe) wissen Sie, dass neben Talent und Fleiß auch die passenden Strukturen nötig sind, um erfolgreich im Leistungssport zu werden. Wie ist Baden-Württemberg aufgestellt? Wo muss nachgebessert werden?
Ich möchte Baden-Württemberg als eines der führenden Bundesländer im Leistungssport weiter ausbauen. Dabei werden wir konsequent den Baden-Württemberg-Weg gehen und unsere Stärken im Land nutzen. Darunter verstehen wir, dass wir die Dinge, die wir selbst gestalten können, nach unseren Vorstellungen bei gleichzeitig schlanken Strukturen umsetzen. Schon in der Vergangenheit haben wir immer wieder eine Vorreiterrolle übernommen. Ich erinnere nur an das Berufsbild für Leistungssportpersonal.

Diese Veränderungen werden für die Olympischen Spiele 2024 in Paris noch nicht greifen. Welche Erwartungen haben sie an die Spiele im kommenden Jahr?
Dies ist in erster Linie eine Aufgabe der Spitzenverbände und liegt in deren Verantwortung. Insgesamt analysieren wir und werden gegebenenfalls eigene Wege beschreiten im Sinne der Athleten und Trainer. Natürlich in Abstimmung mit allen Beteiligten. Denn neben möglichst vielen Medaillen, aber auch Bestleistungen unserer Athleten aus Baden-Württemberg erhoffen wir uns einen Schub auf mehreren Ebenen – im Leistungssport, Schulsport, Freizeit- und Breitensport, für die Inklusion und für das Land an sich. Schließlich ist Frankreich unser Nachbar und Paris nur einen Katzensprung mit dem TGV oder ICE von Baden-Württemberg aus entfernt.

Sie haben die LSVBW-Gremien rund um das Präsidium neu aufgestellt. Wie sieht die neue Struktur genau aus? Was sind die Ziele?
Wichtig ist, dass wir auf die Herausforderungen, die den Sport, seine Verbände und die Sportvereine betreffen, in deren Sinn reagieren. Dafür müssen wir weiter zusammenrücken, noch mehr miteinander kommunizieren. Dies habe ich gemeint, als ich bei meiner Wahl von einem Wir-Gefühl gesprochen habe.

Welche Inhalte werden Sie forcieren?
Wir werden unseren Fokus auch in Richtung EU richten und genauer verfolgen, welche Themen in Brüssel diskutiert werden. Eine immer größere Bedeutung in unserer Gesellschaft erfährt das Thema Nachhaltigkeit. Und ganz konkret werden wir die politische Entscheidung bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs für die Ganztagesbetreuung in der Grundschule ab dem Jahr 2026 mitgestalten.

Wie sieht die Zukunft der Sportvereine in Baden-Württemberg aus?
Zunächst danke ich allen Mitarbeitern in den Sportvereinen, sie machen einen tollen Job. Deshalb werden auch wir weiter am Ball bleiben und für die nötigen Rahmenbedingungen sorgen. Dies betrifft unter anderem gesellschaftliche Herausforderungen wie den Transfer hin zu erneuerbaren Energien. Schließlich ist es weiterhin unser Anspruch leistungsfähig, innovativ und weltoffen zu sein.