Professionelles Sportsystem? Sportlicher Erfolg nur mit hauptberuflichen Trainerinnen und Trainern? Iris Manke-Reimers ist der Beweis dafür, dass es mit viel Engagement und Einsatz auf ehrenamtlicher Basis gelingt, maximalen Erfolg zu haben. Denn mehr als Gold bei Olympischen Spielen, den Sie gemeinsam mit ihrer Athletin Yemisi Ogunleye in Paris errungen hat, geht nicht.
Es ist eine besondere Beziehung zwischen der Trainerin und der 26 Jahre alten Kugelstoßerin. Yemisi Ogunleye war 15 Jahre alt, als sie von Bellheim in der Pfalz in die Trainingsgruppe von Manke-Reimers bei der MTG Mannheim kam. „Iris, Du hast mich als Küken bekommen“, sagte die Athletin in ihrer Videobotschaft. „Da mussten wir uns um sie kümmern“, erklärt die 64-Jährige und bezieht dabei auch ihren Mann Michael mit in die Betreuung ein. „Wenn wir Freitag und Samstag trainiert haben, hat Yemi auch bei uns übernachtet“, so Manke-Reimers weiter, „das war selbstverständlich für uns. So sind wir zusammengewachsen.“
Mit zunehmendem Erfolg allerdings wuchsen auch die Anforderungen. Intensivere Betreuung, Trainingslager, internationale Wettkämpfe. Irgendwann ließ sich das nicht mehr mit der regelmäßigen Arbeit in einem Pflegeheim, in dem sie in der Verwaltung die Abrechnungen gemacht hat, bewerkstelligen. Auf Ende 2023 kündigte Manke-Reimers deshalb ihren Job, betreut seitdem ausschließlich Yemisi Ogunleye. „Es hat sich ausgezahlt“, sagt sie. Und denkt neben Olympia-Gold auch an Silber bei der Hallen-Weltmeisterschaft und Bronze bei den Europameisterschaften.
Immer wieder holt sich Iris Manke-Reimers externe Expertise
Dabei ist die Trainerin zwar für ihre Athletin die erste Ansprechpartnerin, aber längst nicht der einzige Coach. Denn wenn Manke-Reimers nicht mehr weiterwusste, hat sie ihr Netzwerk genutzt und sich Rat von außen geholt. Bezüglich Krafttraining etwa von Sportwissenschaftlerin Mareike Rittweg vom Olympiastützpunkt Metropolregion Rhein-Neckar. Bei der Umstellung von der Angleit- auf die Drehstoßtechnik bat sie Khalid Alqawati, der in seiner Mannheimer Werfergruppe unter anderem den luxemburgischen 22-Meter-Kugelstoßer Bob Bertemes betreute, um Unterstützung. Als diese Kooperation endete, ging sie vor zwei Jahren auf Artur Hoppe zu. Seitdem fährt das Duo Ogunleye und Manke-Reimers (fast) jeden Mittwoch nach Stuttgart zum Techniktraining.
Dabei brachte Iris Manke-Reimers die besten Voraussetzungen mit. Als junge Athletin startete sie im Mehrkampf. 1984 musste sie sich unter ihrem Mädchenname Iris Künstner in der Siebenkampf-Qualifikation für die Olympischen Spiele Los Angeles als viertbeste Deutsche nur knapp Birgit Dressel geschlagen geben. Mit ihrem Mann Michael, der von 1989 bis 1999 Sprint-Bundestrainer war, leitete sie bei der MTG Mannheim diverse Gruppen, aus der es mehrere Athletinnen und Athleten bis in die nationale Spitze schafften. Wie etwa der Sprinter Patrick Domogala. Oder Shanice Craft, die bei den Europameisterschaften 2014 in Zürich Bronze im Kugelstoßen gewann. „Im Grunde habe ich mit Shanice und Yemisi nur zwei aktive Athletinnen betreut“, sagt sie, „die aber beide Weltklasse geworden sind. Das macht mich schon stolz, dass ich das geschafft habe.“ Dabei war es nie ihr Hauptziel gewesen, ihre Athletinnen bis zu den Olympischen Spielen zu führen. „Darüber habe ich mir anfangs gar keine Gedanken gemacht. Man hat Athleten und die entwickeln sich. Es war für mich nie so, dass ich eine Athletin zu den Olympischen Spielen bringen wollte. Das macht ja der Athlet selber. Klar gehört auch der Trainer dazu. Das Ziel hat sich so entwickelt, wie sich ein Athlet entwickelt.“
Wichtig beim gemeinsamen Weg ist, dass die Chemie stimmt. Und dies tut sie bei Iris MankeReimers und Yemisi Ogunleye. „Yemi ist eine Frohnatur“, sagt die Trainerin, „und sie steckt mich auch an.“ Trotzdem gibt es auch Tage, an denen die Athletin nicht so gut drauf ist. „Ich sehe Yemi schon an, wenn sie zur Türe reinkommt, wie es ihr geht“, sagt Manke-Reimers. Und dieses Erkennen hat dann auch Einfluss aufs Trainingsprogramm. „Klar haben wir einen Plan, aber Papier ist geduldig. Wir können auch mal fünf Kilo drauflegen. Oder runternehmen. Und tun das auch.“
„Wenn man eine Athletin wie Yemisi hat, dann sagt man nicht: Das mach ich nicht.“
Iris Manke-Reimers und Yemisi Ogunleye wollen ihren gemeinsamen Weg weiter beschreiten. „Man weiß ja nie genau, was noch kommt“, sagt die Trainerin, „wir haben es bis hierher geschafft und schaffen es auch weiter.“ Auch wenn ihr alles ein wenig surreal vorkommt: „Es ist verrückt, was wir machen. Aber wenn man so eine Athletin hat wie die Yemisi, dann sagt man nicht: Das mache ich nicht.“