
Bei der Frauenvollversammlung in Baden-Baden-Steinbach wurde Julia Heckmann als Nachfolgerin von Margarete Lehmann zur Vorsitzenden des LSVBW-Ausschusses „Frauen und Gleichstellung“ gewählt. Im Interview mit „Sport in BW“ erzählt die Kommunikationsexpertin über ihre Motivation und was sie beim Triathlon für ihr ehrenamtliches Engagement gelernt hat. Als neue Vorsitzende des LSVBW-Ausschusses „Frauen und Gleichstellung“ möchte sie eine prägnante Stimme haben.
Frau Heckmann, was hat Sie motiviert, dass Sie sich als Vorsitzende des LSVBW-Ausschusses Frauen und Gleichstellung zur Wahl gestellt haben?
Grundsätzlich habe ich mich auch von meiner Vorgängerin Margarete Lehmann motivieren und letzten Endes inspirieren lassen. Dies ist eine Position, in der ich eine prägnante Stimme haben kann. Dies entspricht meinem ehrenamtlichen Streben – Position beziehen, Haltung zeigen, diskutieren, in positiver Form streitbar sein. Das ist mein Naturell, dass ich Dinge nicht nur geschehen lasse, sondern beobachte und dann anspreche und Haltung beziehe.
Und auch zu beeinflussen?
Absolut. Ich komme beruflich aus der Kommunikation. Kommunikation ist ungemein wichtig. Ich bin jemand, der nicht immer schweigen möchte. Oder kann. Sondern ich lege gerne auch mal den Finger in die Wunde, gehe dabei aber – meiner Einschätzung nach – immer sehr konstruktiv vor. In der Position kann man sehr viele Dinge aufgreifen und dann zur Aussprache bringen, um dann einen Standpunkt für den LSVBW und die Betroffenen im Verband zu beziehen.
Welche Themen liegen für Sie auf der Laufbahn oder in der Sporthalle?
Das eine ist, dass wir Frauen sichtbarer werden und mehr erreichen können. Im Ehrenamt merken wir einen Generationswechsel. Es wird schwieriger, Jugendliche oder junge Frauen nachzuziehen. Auch da gilt es, sich sportintern wie auch politisch für neue Modelle einzusetzen, um mehr Lust aufs Ehrenamt zu machen. Wir müssen einen breiten Blick auf den Sport haben und schauen, was viele schon richtig machen, aber was noch nicht so bekannt ist. Ich habe das Gefühl, dass jeder Verband für sich sein eigenes Ding macht und zu wenig darüber untereinander austauscht. Insofern freue ich mich auf die Ausschussarbeit.
Haben Sie schon positive, nachahmenswerte Beispiele im Blick?
Im Triathlonverband, aus dem ich komme, fangen wir bei den Kampfrichtern deutlich früher an, bilden Junioren-Kampfrichter unter 18 Jahren aus. Bereits ab 14 können sie schon mal reinschnuppern und mitlaufen, damit sie beurteilen können, was sie tun müssen und ob es ihnen Spaß macht. Und Ehrenamt trägt perspektivisch nicht nur zur Persönlichkeitsentwicklung bei, sondern macht sich auch im Lebenslauf gut. Das ist etwas, was als Anreiz viel zu wenig genutzt wird.
Also unabhängig von monetärer Motivation?
Leider wird in erster Linie über Ehrenamtsentgelte nachgedacht statt über das intrinsische. Man kann auch dahingehend argumentieren, etwas Gutes für die Gesellschaft zu tun oder sich im Ehrenamt selbst besser kennenzulernen. Damit haben wir im Kleinen schon sehr gute Erfahrungen gemacht. Entscheidend ist, dass wir Chancen sichtbar machen. Viele wissen gar nicht, welche tollen Optionen es gibt, sich einzubringen. Wir müssen Mut und Lust machen, es einfach mal auszuprobieren. Das bewegt mich per se. Denn wir müssen die Zukunft unserer Sportvereins- und Verbandsstrukturen sichern, denn ohne Ehrenamt sieht es schlecht aus. Ansonsten können wir generell viel mehr untereinander netzwerken.
Wie war denn Ihr Einstieg ins Ehrenamt?
Zuletzt im Baden-Württembergischen Triathlonverband genau so. Obwohl ich noch keine Position innehatte, habe ich beim Betrachten des Social-Media-Auftritt gedacht, dass man in diesem Bereich etwas mehr machen kann. Dies war mein Einstieg, später bin ich ins Präsidium für die Position Kommunikation und Marketing gewählt worden.
In Ihrer Bewerbungsrede haben Sie von „Brücken schlagen“ gesprochen. Was meinten Sie damit?
Es geht um Verbindungen jeder Art. Die Abstände zwischen den Menschen und deren verschiedenen Ansichten gehen immer weiter auseinander. Es gibt teils tiefe Gräben, deshalb müssen stabile Brücken gebaut werden, um wieder Zugang zueinander zu finden. Das ist das eine. Bei den politischen Tendenzen, die zu beobachten sind, haben wir als Sport die Chance, eine klare Position Richtung Demokratie und Werte zu setzen. Die müssen wir nutzen. Es ist ja sehr erschreckend, dass besonders viele junge Menschen politisch die Ränder gewählt haben. Wo finden wir diese jungen Menschen? In unseren Vereinen. Noch. Wir müssen wieder einen guten Zugang zueinander, speziell auch zur Jugend, bekommen. Dafür müssen wir einen Weg finden, um Dinge zu überbrücken. Ob das ein kleiner Steg ist oder eine große Hängebrücke. Die Verbindung zwischen Alt und Jung, zwischen verschiedenen kulturellen Hintergründen, zwischen verschiedenen Situationen. Ich glaube, das Bild ist sehr gut aufzugreifen.
Der Sport reklamiert für sich, dass er die Gesellschaft zusammenbringt. Aber sind die Sportvereine nicht überfordert, diese auseinanderdriftende Gesellschaft zusammenzuhalten?
In vielen Vereinen schreckt man zurück, sobald man merkt, dass da irgendetwas im Argen liegt. Oder man merkt, wenn ein Vereinsmitglied besonders aktiv seine kruden Ansichten mit aufs Spielfeld bringt. In diesen Fällen sind die Vereine häufig noch hilflos, wie sie damit umgehen sollen.
Passen Werte wie Respekt, Fairness, Vielfalt und Integrität noch in diese Zeit?
Ja, absolut. Gerade Respekt, wie wir miteinander umgehen, ist ungemein wichtig. Genauso wie Fairness und Vielfalt.
Diese Werte werden aber nicht immer so vertreten. Auch nicht im Sport.
Es ist erschreckend. Es kann nicht wirklich sein, dass Eltern bei Spielen ihrer Kinder auf die Schiedsrichter losgehen. Da muss man ganz klar Kante zeigen, indem man auch einmal Vereine, die negativ auffallen, vom Spielbetrieb ausschließt. Parallel dazu muss man die Vorfälle auch aufarbeiten, denn sonst sind sie schnell wieder vergessen. Da gibt es eine Menge zu tun.
Ihre Vorgängerin Margarete Lehmann hat immer wieder festgestellt, dass Frauen selbstkritischer und zurückhaltender sind, wenn es darum geht, eine Aufgabe in einem Sportverein zu übernehmen. Ist Ihre Wahrnehmung ähnlich?
Ich muss schon sagen, dass es im Vergleich zu Männern immer noch eine gewisse Zurückhaltung gibt. Männer sagen schneller: ‚Ja, das traue ich mir zu, das mache ich.‘ Frauen zweifeln erst einmal und denken: Vielleicht bin ich doch nicht gut genug? Frauen müssen nach wie vor ein wenig geschubst werden. Ich glaube aber, dass es besser wird, weil es mittlerweile Vorbilder gibt.
Aber es gibt doch Beispiele, dass Frauen Präsidentin eines Sportverbandes oder Sportvereins sind.
Das stimmt, aber auf höheren Ebenen ist es oft noch ein langer Weg. Im Kleinen funktioniert’s. Wir merken das auch im Triathlonverband. Wir bekommen mehr Kampfrichterinnen, auch die Trainerinnen werden mehr. Wenn man Persönlichkeiten sieht, an denen man sich orientieren kann, dann macht das schon sehr sehr viel aus.
Wie wichtig sind Frauen in Führungspositionen für den Sport?
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Frauen andere Fähigkeiten mit einbringen. Auch in Diskussionen merkt man die andere Sichtweise. Manchmal ist es das empathischere, das ausgleichendere Naturell. Aber es ist schon auch so, dass sich die Fähigkeiten ergänzen, deshalb braucht es die Frauen einfach auch. Da geht es nicht um besser oder schlechter, sondern um anders. Ich sehe ein Ergänzen und gemeinsam stärker sein. Letzten Endes ist es die Vielfalt der Fähigkeiten.
Sie sind Triathletin. Was macht für Sie den Reiz aus? Was lässt sich davon in den Berufsalltag übertragen?
Sehr viel. Einerseits ist es das Koordinieren, das strukturiert sein. Ich muss mich nicht nur auf eine Sportart vorbereiten, sondern auf drei Disziplinen. Dazwischen gibt es noch etwas, das nennt sich Wechsel. Es ist also sehr komplex. Auch der Trainingsalltag ist herausfordernd, denn man trainiert ja auch die drei Disziplinen. Eine Struktur zu haben oder kreativ sortiert zu sein, ist etwas, was mir liegt. Und dann ist es ein klassischer Ausdauersport. Ich merke, dass ich als Ausdauersportlerin einen längeren Atem oftmals auch im Job habe. Ich habe ein Durchhaltevermögen, bei allem Auf und Ab meine Ziele nicht aus den Augen zu verlieren und zu schnell aufzugeben.
Dieses Auf und Ab erwartet Sie möglicherweise auch in Ihrem Ehrenamt?
Auch das. Es wird Rückschläge geben. Wenn man erkennt, dass man so momentan nicht weiterkommt, ist das Umschalten wichtig. Auch wenn man es nicht glaubt: Per se ist Triathlon vorrangig eine Individualistensportart, aber trotzdem geht es nicht ohne ein Team im Hintergrund. Man hilft sich gegenseitig, freut sich miteinander. Das Gemeinsame ist mir sehr wichtig.