
Helen Briem ist 2024 richtig durchgestartet. Die 19-jährige Nürtingerin wurde Weltranglisten-Erste bei den Amateur-Golferinnen, gewann aber auch schon ihre ersten Profiturniere. Am Jahresende wurde sie zur „Juniorsportlerin des Jahres“ der Deutschen Sporthilfe gewählt.
Frau Briem, Gratulation zur Wahl zur „Juniorsportlerin des Jahres“ durch die Sporthilfe. Haben Sie damit gerechnet?
Jein. Die Nominierung selbst war schon etwas ganz Besonderes, weil es im Golf nicht die typischen Junioren-Weltmeisterschaften oder Europameisterschaften gibt. Auch ist der gesellschaftliche Stand der Sportart Golf in Deutschland nicht unbedingt der beste. Von daher kam die Nominierung schon überraschend, zumal ich die erste Golferin überhaupt bin, die jemals nominiert wurde.
Kennen Sie einige Ihrer Vorgängerinnen und Vorgänger?
Natürlich. Ganz vorne Laura Dahlmeier, die eines meiner zwei Vorbilder ist. Mit Laura in einer Liste zu stehen ist schon etwas ganz Besonderes.
Wer ist das andere Vorbild?
Mikaela Shiffrin.
Sie haben ein außerordentlich erfolgreiches Jahr hinter sich. Das Onlineprotal golf.de hat Sie als „Sensation aus Deutschland“ bezeichnet. Wie gehen Sie mit solchen Bezeichnungen um?
Aus meiner Sicht sind die Erfolge nicht unbedingt eine Sensation, aber es ist schon etwas Besonderes, vielleicht auch etwas Einmaliges. Mein Weg, den ich gehe, ist nicht der normalste. 90 bis 95 Prozent nehmen den Weg übers College-Golf. Ich bin direkt nach dem Abitur Profi geworden und habe nicht die vier Jahre College in den USA gemacht.
Sie sind als Nummer 1 bei den Amateurinnen sofort zu den Profis gewechselt und haben gleich ein Turnier gewonnen. Ist der Sprung nicht so groß?
Dass ich bei den Profis vorne mitspielen kann, das wusste ich. Ich hatte als Amateurin schon einige Profiturniere gespielt. Aber das dann zu machen und umzusetzen, ist noch einmal eine andere Sache. Da spielen einfach sehr viele Faktoren rein, die am Ende entscheiden.
Mit Ihren Erfolgen bei den Turnieren und der Wahl zur „Juniorsportlerin des Jahres“ rücken Sie das Frauen-Golf mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Fühlen Sie sich als Vorreiterin?
Nein, aus meiner Sicht überhaupt nicht. Es gibt ja noch Esther Henseleit, die Silber bei den Olympischen Spielen in Paris gewonnen hat. Sie ist ein deutlich größeres Zugpferd. Das Golf der Frauen ist aber global auf einem sehr guten Weg. Wenn ich ein wenig dazu beitragen kann, dass der Golfsport in Deutschland ein besseres Ansehen bekommt oder mehr wahrgenommen wird, dann ist das etwas Tolles.
Was sind Ihre nächsten Schritte?
Ich bin nächstes Jahr hauptsächlich auf der Ladies European Tour unterwegs. Das war mein großes Ziel, zum jetzigen Zeitpunkt eine volle Spielberechtigung für 2025 zu haben. Damit werde ich mal anfangen, darauf liegt mein Fokus. Und in einem Jahr schauen wir dann weiter.
Und irgendwann ist die Tour der Ladies Professional Golf Association (LPGA) das große Ziel?
Genau. Langfristig ist das sicher der Plan, wo es hingehen soll. Aber wie schnell, in wie vielen Jahren ich mich in Amerika sehe, das ist eine andere Frage. Aber da wird es in der nächsten Zeit ein paar Rantaster geben.
Wie sind Sie zum Golf gekommen? Wann haben Sie angefangen?
Über meine Eltern bin ich zum Golf gekommen. Die hatten angefangen, als ich relativ klein war. Mit drei Jahren hat mir der Papa einen Schläger gekauft. So hat sich das eben entwickelt.
Ab wann haben Sie gemerkt, dass Sie mehr Talent haben und besser sind als Ihre gleichaltrigen Mitspielerinnen?
Da gibt es keinen speziellen Zeitpunkt. Für mich war entscheidend, dass auf eine Stufe die nächsthöhere Stufe kommt. Wenn man von Stufe zu Stufe geht, dann sieht man den ganzen Weg. Wenn man zurückblickt, ist das etwas Tolles, den Weg gegangen zu sein.
Was sind Ihre Stärken?
Ganz klar das lange Spiel, sowohl aus der Tee Box raus mit dem Driver oder dem Holz als auch die Annäherungsschläge mit den Wedges oder Eisen.
Und woran müssen Sie noch arbeiten?
Um und auf dem Grün, da sehe ich noch Potenzial. Das ist teils auch noch der fehlenden Erfahrung geschuldet. Die Bedingungen in Deutschland sind über den Winter nicht so, wie sie in Spanien oder den südlicheren Ländern sind. Deswegen haben Spielerinnen, die dort leben, einen Vorteil. Aber diesen muss ich nach und nach abarbeiten und mich verbessern.
Wie sieht das Training einer Profigolferin aus?
Eine ganze Runde spiele ich meistens nur bei Turnieren und den Vorbereitungsrunden. Weil Runden sehr zeitaufwändig sind, übe ich viel mehr auf der Driving Range Adas lange Spiele oder das Putten. Da übe ich viel mehr die Bewegungsabläufe und komme auf viel mehr Ballkontakte, das ist viel effektiver. Ansonsten bin ich drei bis vier Einheiten in der Woche im Fitnessstudio. Da liegt mein Fokus auf der Stabilität im Rumpf und Oberkörper. Je stabiler diese beiden Bereiche sind, desto einfacher ist es, die Stabilität in den Schwung und den Ballflug zu übertragen.
Ihr Vater begleitet Sie zu vielen Turnieren. Welche Unterstützung haben Sie durch den Verband bekommen?
Weil wir in einem Club angefangen haben, der nicht leistungssportlich orientiert war, mussten wir uns Schritt für Schritt alles selbst erarbeiten. Und auch heute noch vieles selbst machen. Die Erfahrung bei gewissen Turnieren kann nur der Verband bieten, da bin ich sehr dankbar dafür, die mitgenommen zu haben.
Haben Sie noch Zeit für andere Hobbies?
Ja. Wenn ich Zeit habe, spiele ich gerne alles, was mit einem Ball zu tun hat und im Winter natürlich Skifahren.
Sie haben im Sommer das Abitur gemacht. Wollen Sie anfangen zu studieren oder liegt der Fokus erst einmal ganz auf Golf?
Ich habe mit einem Studium für Pharmatechnik in Sigmaringen angefangen. Das mache ich berufsbegleitend. Das macht mir viel Spaß. Das Studium ist ein guter Ausgleich zum Golf, gibt mir eine andere Perspektive aufs Leben und Golf ist nicht 24/7 – eine gute und sinnvolle Abwechslung. Es wird auch noch ein Leben nach dem Golf geben.
Das ist ein anspruchsvolles Studium.
Ja, es ist sehr naturwissenschaftlich orientiert und mir fallen die Naturwissenschaften und Mathe tendenziell leicht, interessieren mich und machen mir Spaß.