Bei der alljährlichen Geschäftsführertagung der LSV-Mitgliedsorganisationen wurde über die neusten Entwicklungen im organisierten Sport in Baden-Württemberg diskutiert und die Frage gestellt, wie zeitgemäß ein Sportverein im Jahre 2015 tatsächlich noch ist.
Ein klares Profil – flexible Modelle? Die Sportvereine müssen sich bereits heute Gedanken darüber machen, wie sie sich für die Zukunft aufstellen, um weiterhin die größte Personenvereinigung im Land zu sein und allen gesellschaftlichen Gruppen ein sportliches Zuhause bieten zu können. Denn eines wurde deutlich bei der Geschäftsführertagung der LSV-Mitgliedsorganisationen Ende Juni in Ruit: Die reinen Mitgliederzahlen sagen noch lange nichts darüber aus, was die Zukunft für einen Sportverein bringt. Sich auf den vermeintlich guten Zahlen auszuruhen, wäre fatal.
Geeignete Angebotsformen finden
Dabei steht der organisierte Sport vor zwei sprichwörtlich sportlichen Herausforderungen: Sobald der geburtenstärkste Jahrgang der letzten Jahrzehnte, die sogenannten Babyboomer, das mittlere Erwachsenenalter erreicht haben und in absehbarer Zeit in den Ruhestand kommen, stehen die sozialen Systeme vor einer großen Aufgabe.
Die reinen Mitgliederzahlen belegen zwar, dass seit Jahren der größte Zuwachs in der Altersgruppe 60+ liegt, jedoch haben die Babyboomer ganz andere Ansprüche und Bedürfnisse, als die 60-Jährigen vor noch 20 Jahren. Ihnen mangelt es nicht am Willen sich wöchentlich mehrmals sportlich auszupowern; der Sportverein wird bei einigen jedoch zuweilen als gewisser Zwang empfunden. Die Vereine haben ihrerseits den Trend größtenteils erkannt und sind hier bereits aktiv.
Ebenso scheint es, dass immer weniger Jugendliche bereit sind, sich in einem Verein zu engagieren. Da die Identitäten der Jugendlichen ständig wechseln – mal sind sie Snowboarder, mal Fußballer, mal Freeclimber –, ist der organisierte Sport gefordert, den Jugendlichen unterschiedlichste sportliche Möglichkeiten zu bieten und gemeinsam mit ihnen zu verwirklichen. Die neuen Medien könnten hier eine zentrale Rolle spielen. Sie sind in der Lebenswelt der Jugendlichen kaum mehr wegzudenken. Wege zu suchen und zu finden, wie die neuen Medien für den Verein nutzbar sind, um hierüber die Lebenswelten der Jugendlichen mitzugestalten, sollte auf jeder To-do-Liste eines Sportvereins stehen.
Ist der Sportverein heute also noch zeitgemäß? Die Frage von Prof. Dr. Ansgar Thiel, Direktor des Sportinstituts der Universität Tübingen, stand im Mittelpunkt der zweitätigen Geschäftsführertagung. Am Ende des Tages konnte sie zwar nicht beantwortet werden, aber eines ist sicher: Die Vereine fanden bisher immer Lösungen auf gesellschaftliche Veränderungen.
Podiumsdiskussion mit sportpolitischen Sprechern
Die sportpolitischen Sprecher der Landtagsfraktionen – Dr. Timm Kern, Viktoria Schmid, Petra Häffner und Sabine Wölfle – wurden am zweiten Tag in der Podiumsdiskussion von den rund 40 Teilnehmern aus ganz Baden-Württemberg ebenfalls mit dieser Frage konfrontiert. Eine Vielzahl der aktuellen Entwicklungen im organisierten Sport sind gerade für die Frage, ob der Sportverein mit seinen Angeboten noch zeitgemäß ist, relevant – sei es das Sportangebot für Flüchtlinge, das Mindestlohn- und Bildungszeitgesetz oder die Rahmenvereinbarung der Sportorganisation mit dem Land über Sport- und Bewegungsangebote in der Ganztagsgrundschule. Ob und welche Hilfen von der Politik bei der Bewältigung dieser Aufgaben zu erwarten sind und welche Chancen sich für die Sportvereine – nicht nur hinsichtlich der Mitgliederzahlen – ergeben, daraus kann nach der Informationsveranstaltung jeder Sportverbands- bzw. Sportbundsvertreter seine eigenen Schlüsse ziehen.