Foto: DOSB | Henning Heide

Die Fotokampagne des DOSB „Wo ich herkomme? – Vom Sport!“ wurde vom Bundesprogramm „Integration durch Sport“ aufgegriffen und neu initiiert. Der Schwerpunkt liegt jetzt noch stärker auf dem Bundesprogramm und den Menschen, die es durch ihr Engagement und ihre individuellen Vorstellungen zum Leben erwecken. Nun wurde Assan Jallow (ATSV Kleinsteinbach), bekannt durch den Film „Keine Angst vorm schwarzen Mann“, portraitiert – auf dem Foto zur Kampagne sowie im folgenden Text, geschrieben von Marcus Meyer.

Auch Assan Jallow hat den Weg übers Meer nach Europa nehmen müssen. Nicht in einem Schlauchboot, wie es viele Menschen aus verschiedenen afrikanischen Ländern – oft vergeblich – versuchen, um Krieg, Unterdrückung, Armut oder einem perspektivlosen Leben zu entfliehen, sondern als blinder Passagier im Bauch eines Frachtschiffes; im Dunklen, zusammengekauert, ohne Wasser, ohne Nahrung, ohne Ahnung, wohin die Reise führt, wie lange sie dauert. „Es gab viele Momente, in denen ich dachte, hier komme ich nicht lebend raus“, sagt er. Als das Schiff schließlich in einem Hafen festmacht, weiß er nicht, dass er in Deutschland angelandet ist. Sein erster Weg führt ins Krankenhaus.

Gerade 18 Jahre alt ist Assan Jallow, als er 2011 verzweifelt von zuhause flieht. Vor seiner Familie, in der es nicht mehr aushält, vernachlässigt wird, psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt ist. „Viele Männer in Gambia haben viele Frauen, mein Vater hatte drei, von meiner Mutter war er getrennt. Die anderen Ehefrauen haben an ihre Kinder gedacht, nicht an mich.“

Nach seiner Regeneration und einigen Zwischenstationen landet er im badischen Kleinsteinbach, aber seine Chancen in Deutschland bleiben zu dürfen, stehen schlecht. Er geht zur Schule („Die ersten drei Monate hier haben mehr gebracht als sieben Jahre in Gambia“), lernt die Sprache und kämpft mit dem Dialekt („Ich habe in der Schule was gelernt, aber was zuhause gesprochen wurde, war etwas ganz anderes“), arbeitet als Praktikant im Pflegebereich. Sein Asylgesuch aber wird abgelehnt. Gambia ist kein Bürgerkriegsland.

Freunde und Bekannte stellen einen Härtefallantrag, sammeln online Unterschriften fürs Bleiberecht, 2.000 Unterstützer sind mindestens notwendig. Es wird eine weitere harte Prüfung für Assan Jallow, die Unsicherheit, ob er gehen muss oder bleiben kann, zieht sich über Monate. „Ich war jeden Tag verzweifelt, aber ich hatte meine deutsche Mutter“, das hat mir sehr geholfen, sagt er. Seine deutsche „Mutter“, das ist Jasmin Poslovski, die zusammen mit ihrem Mann Harald und ihren drei Kindern, den 20-Jährigen aus dem Asylheim holte, und zuhause aufgenommen hatte. „Jasmin und Harald haben alle Kinder gleichbehandelt, und alle begegnen sich untereinander mit Respekt, das habe ich vorher nie erlebt. Ich hatte das erste Mal eine richtige Familie.“ Und: „Sie haben mir gezeigt, wie man hier in Deutschland lebt und wie man mit den Leuten umgeht.“

Die Online-Petition, die noch heute im Internet zu finden ist, erhält schließlich die notwendigen Unterstützer, führt zum Erfolg. Assan Jallow darf bleiben. Die Bedingung: Er muss eine Ausbildung beginnen und sie erfolgreich abschließen. Er bewirbt sich bei der Edelstahl Rosswag, einem mittelständischen Schmiedeunternehmen im badischen Pfinztal, und bekommt die Ausbildungsstelle. Im Unternehmen kann er auf große Unterstützung zählen, obwohl der kaufmännische Geschäftsführer sagt: „Es wurden uns viele Steine in den Weg gelegt, und wir waren mehrmals kurz davor, das Projekt abzubrechen. Eine kleinere Firma hätte den bürokratischen Aufwand wahrscheinlich gar nicht stemmen können.“ Doch er sagt auch noch was Anderes, was Schönes: „Es hat sich gelohnt.“

Die Zeit der Ausbildung ist trotzdem schwierig für Assan Jallow, er kämpft mit der Fachsprache, den Lehrinhalten, seinen Zweifeln, seinem Trauma. Die Flucht bereite ihm noch heute Probleme, sagt er. Er hatte keine Therapie, anfangs keine Leute, mit denen er sich über seine Erfahrungen unterhalten konnte. „Ich war sehr zurückgezogen, habe nicht über meine Ängste gesprochen. Mittlerweile weiß ich genau, wenn ich anrufen muss, wenn ich Probleme habe.“

Der 28-Jährige kann glücklicherweise auf eine Reihe von Menschen zählen, die ihn unterstützen. Eine Freundin, die bei der Wohnungssuche assistierte und den Vermieter überzeugte, Assan Jallow auch die Wohnung zu geben, ein pensioniertes Lehrerehepaar, das ihm half, die Sprache zu lernen. Mittlerweile hat sich seine Einstellung zum Beruf verändert: „Am Anfang“, sagt er, „dachte ich, ich muss das machen, um hierbleiben zu dürfen, dann habe ich gemerkt, ich brauche die Arbeit auch für mein Leben, meine Selbstständigkeit.“ Und er hat eine neue Rolle: die des Dolmetschers. Wenn Kollegen aus anderen Regionen Deutschlands Schwierigkeiten haben, den badischen Chef zu verstehen, dann übersetzt Assan Jallow.

Und natürlich kann er sich auf den ATSV Kleinsteinbach verlassen, seinen Fußballverein, dort wo alles begann, als er den Sohn seiner „Adoptiveltern“ kennenlernte und in dem ihm viele Vereinsmitglieder bei kleineren und größeren Problemen halfen. „Ich würde sagen, dass bei Assan der Begriff ‚Integration durch Sport‘ voll zutrifft. Er hat es durch sein eigenes Engagement, seine Zuverlässigkeit geschafft, bei allen anerkannt zu werden“, sagt Vereinskamerad Markus Eble in der Dokumentation „Keine Angst vorm Schwarzen Mann“, die der Filmemacher Walther L. Brähler über Assan Jallow gedreht hat und in dem alle Unterstützer zu Wort kommen, auch der Geschäftsführer von seinem Arbeitgeber.

Was die Dokumentation noch zeigt, dass für Assan Jallow Vorurteile und Rassismus ständige Lebensbegleiter waren und sind. Innerhalb des Sports, „es war anfangs schwierig, auch auf dem Sportplatz. Aber mittlerweile hat fast jede Mannschaft einen Schwarzen in der Mannschaft. Das macht rassistische Beleidigungen schwieriger“, wie außerhalb: „Immer wieder höre ich in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Clubs das N-Wort, oder, Ausländer, ihr nehmt und unsere Arbeit und unsere Frauen weg.“

Zurück bleibt, neben vielen Verletzungen, eine große Unsicherheit: „Manchmal hat man das Gefühl, Teil der Gesellschaft zu sein. Und dann hört man wieder von Menschen, Du gehörst hier nicht her.“

Im November 2021 wird Assan Jallow seine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Dann könnte er einen Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft stellen. Sein Wunsch? Ein normales Leben führen“, sagt er.

Weitere Informationen zur Kampagne finden Sie hier.