arbeitet als Sportpsychotherapeutin am OSP Metropolregion Rhein-Neckar und bietet Athleten und Trainern Unterstützung bei Vorliegen psychischer Symptome.

unterstützt Athleten ebenfalls am OSP MRN als Sportpsychologin dabei, die mentalen Herausforderungen ihrer leistungssportlichen Karriere und darüber hinaus zu meistern.

  • Sportpsycholog:innen findet man in der Expertenliste des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BiSp) oder regional an den jeweiligen Olympiastützpunkten
  • Sportpsychotherapeut:innen und -psychiater:innen findet man in der DGPPN-Expertenliste
  • Psychosoziale Beratungsstellen (z.B. von städtischen oder kirchlichen Trägern) können bei psychischen Belastungen oder Beschwerden weiterhelfen und ggf. auch weiter vermitteln.
  • Psychotherapeutische/Psychiatrische Abklärung oder ggf. Behandlung kann in den Ambulanzen der Psychiatrischen Kliniken oder über ambulant tätige Psychotherapeut:innen oder Psychiater:innen erfolgen.

Hanna Granz und Petra Dallmann referierten im Rahmen des Landestrainer-Hauptseminars 2022 zu Erfahrungen mit Athleten und Trainern im Leistungssport. Sport in BW sprach mit ihnen.

Frau Dallmann, welche Bedeutung hat die psychische Gesundheit bisher im deutschen Leistungssportsystem?

Dallmann: Die Psyche steht zunehmend im Fokus im Leistungssport, das kann man am zunehmenden Einsatz von Sportpsychologen sehen, aber auch an der Gründung und Erweiterung eines Netzwerkes von Sportpsychiatern und -psychotherapeuten. Trotzdem hinken wir im internationalen Vergleich noch hinterher. Seit einem Jahr gibt es die Internetseite athletes-in-mind.de, die auch Sportlern in Deutschland Informationen und Beratung anbieten möchte.

Wie lässt sich (psychische) Gesundheit definieren, Frau Granz?

Granz: Psychische Gesundheit ist für sich genommen, schwer zu definieren, denn Gesundheit setzt sich aus verschiedenen Bereichen zusammen, die in ständiger Wechselwirkung miteinander stehen: die biologische Gesundheit (körperliche Funktionalität), die psychische Gesundheit (das heißt beispielsweise psychische Stabilität, Anpassungsfähigkeit, Sorgen/Ängste) und die soziale Gesundheit (zum Beispiel soziale Ressourcen, Lebensumfeld, Beruf, Finanzen).

Die gegenseitige Beeinflussung dieser Bereiche bekommen wir zum Beispiel zu spüren, wenn wir Belastungen am Arbeitsplatz erleben (sozial), die uns psychisch belasten und uns viel grübeln lassen (psychisch), was wiederum zu schlechtem Schlaf führen kann, der sich auf die körperliche Gesundheit auswirken kann (biologisch).

Ein Begriff der in diesem Kontext häufiger zu hören ist: „Stress“. Was hat Stress mit unserer Gesundheit zu tun?

Granz: Stress entsteht meistens durch Überforderung, wenn also die Anforderungen an eine Person größer sind, als die Ressourcen, die ihr zur Bewältigung dieser Anforderungen zur Verfügung stehen. Wenn wir beansprucht werden, setzt unser Körper bestimmte Hormone, unter anderem Cortisol, frei, die dafür sorgen sollen, uns leistungsfähiger zu machen. Das ist also eine wichtige und hilfreiche Reaktion des Körpers. Wenn wir extremen Anforderungen ausgesetzt sind oder uns zwischen den Beanspruchungen nicht ausreichend erholen, kann dies zu einem dauerhaft erhöhten Cortisolspiegel führen, was wiederum unsere Gesundheit beeinträchtigen kann.

Was ist der Unterschied zwischen einem Burnout und Depressionen?

Dallmann: Oft werden die Begriffe in der Alltagssprache synonym verwendet. Burnout ist aus medizinischer Sicht aber keine eigenständige psychische Erkrankung und war zumindest anfänglich auf ein Überforderungserleben und eine reduzierte Leistungsfähigkeit im beruflichen Kontext beschränkt. Inzwischen wird der Burnout-Begriff in vielen Kontexten genutzt, um Erschöpfungserscheinungen zu beschreiben, die den Symptomen einer Depression sehr ähneln. Depressionen sind als psychische Erkrankung klassifiziert, mit klaren internationalen Vorgaben, welche Symptome vorliegen müssen, damit die Diagnosekriterien erfüllt werden. Ärzte bzw. Therapeuten können hier helfen, Klarheit zu schaffen.

Wie alt sind die Athleten, mit denen Sie arbeiten, im Durchschnitt?

Granz: Am OSP arbeiten wir in der Regel mit Bundeskaderathleten verschiedener olympischer Sportarten, die in der Rhein-Neckar Region trainieren. Diese sind circa zwischen 14 und 35 Jahre alt.

Wann spricht man von psychischen Erkrankungen im Leistungssport, Frau Dallmann?

Dallmann: Eine Erkrankung liegt dann vor, wenn Symptome für eine psychische Störung vorliegen. Oft werde ich aber auch schon früher tätig, zum Beispiel bei Grenzfällen, damit gar nicht erst das Vollbild einer Erkrankung entsteht.

Was können Trainer oder Athleten tun, wenn sie besondere Belastungen oder psychische Erkrankungen bei einer Person vermuten?

Dallmann: Ich rate immer dazu es anzusprechen, wenn man sich sorgt. Natürlich im passenden Moment unter vier Augen und nicht als Vorwurf formuliert, sondern erklären, dass man sich aus diesem oder jenen Grund Sorgen macht oder eine Veränderung wahrnimmt. Die meisten Betroffenen sind erleichtert, wenn sie darauf angesprochen werden.

Granz: Sofern die Person sich dann helfen lassen möchte, kann man Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Experten anbieten und anbieten, sie zu einem Termin zu begleiten, da hier oftmals damit verbundene Ängste im Raum stehen.

Wie machen sich Depressionen im Leistungssport bei Athleten und Trainern bemerkbar und was sind die größten Risikofaktoren?

Dallmann: Oft fühlen sich die Betroffenen körperlich und geistig erschöpft. Sie schlafen schlechter, grübeln viel und die Stimmung ist gedrückt oder sie spüren eine innere Leere. Man kann sich nicht mehr intensiv über etwas freuen, hat weniger Interesse und zieht sich sozial zurück. Oft ist die Konzentration schlechter. Risikofaktoren, gerade bei Sportlern, sind Verletzungen, das Karriereende und Gehirnerschütterungen.

Woher wissen wir, wie es Athleten und Trainern geht?

Granz: Indem wir aufmerksam sind, interessiert sind und indem wir sie fragen! Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass wir auch Raum dafür geben, dass es jemandem nicht gut geht und eine solche Äußerung nicht als unwichtig abgetan wird – zum Beispiel mit Äußerungen wie „Das wird schon wieder!“ oder „Stell dich nicht so an!“ – sondern ernst genommen und angehört wird: „Möchtest Du darüber sprechen?“ oder „Hast/Brauchst Du Unterstützung?“.

Frau Granz, welche Rolle spielt die psychische Gesundheit der Trainer?

Granz: Eine sehr wichtige! Sowohl für die Trainer selbst als auch in der Wirkung auf die Athleten und ihr Umfeld. Leider haben wir in Deutschland aktuell noch keine gute psychologische Versorgung für Trainer, da die limitierten Mittel zumeist vollständig in die psychologische und gegebenenfalls psychotherapeutische
Betreuung von Athleten fließen. Aber auch für Trainer kann es sehr gewinnbringend sein, mit einem Sportpsychologen oder bei Bedarf -psychotherapeuten
zusammen zu arbeiten, um etwa den eigenen Umgang mit Stress oder Leistungsdruck, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, oder eigene Zielstellungen zu
thematisieren.

Welche Besonderheiten bringt der Trainerberuf im Hinblick auf die psychische Gesundheit mit sich?

Granz: Trainer haben im Vergleich zu anderen Berufen eher unkonventionelle Arbeitszeiten, Wettkämpfe finden oft am Wochenende statt und sind oft mit Reisen verbunden. Je nach Leistungslevel verbringen Athleten und Trainer unter Umständen sehr viel Zeit miteinander, sodass Trainer oft eine enge Bezugsperson darstellen. Diese emotionale Bindung und Involviertheit wird zwar oft als sehr positiv empfunden, kann es aber auch erschweren, sich abzugrenzen und die Tätigkeit auch nüchtern als „Job“ zu betrachten. Diese Bindung in Kombination mit der Leidenschaft für den Sport, die die meisten Trainer mitbringen, bergen ein Risiko für eine besondere Aufopferung und können dazu führen, dass Trainer nicht ausreichend auf die eigenen Bedürfnisse, Ressourcen und gesundheitlichen Belange achten.

Welche Maßnahmen gibt es, um die eigene Gesundheit als Trainer zu fördern?

Granz: Durch die unregelmäßigen Arbeitszeiten ist es besonders wichtig, sich die freie Zeit auch wirklich möglichst frei zu halten. Dafür kann es hilfreich sein, die eigene Erreichbarkeit einzuschränken und dies den Athleten so zu kommunizieren. Trainer sollten versuchen, sich selbst und das eigene Belastungslevel zu beobachten und versuchen, sich trotz Alltagsgeschäft und Trubel zwischendurch kurze Auszeiten zum Durchatmen einzuräumen.
Darüber hinaus gilt genauso wie für die Allgemeinbevölkerung: Regelmäßige Bewegung und frische Luft, ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf, die Pflege sozialer Kontakte und Ausgleichsaktivitäten wie beispielsweise andere Hobbies sind gesundheitsförderlich!

Eine der häufigsten psychischen Erkrankungen im Leistungssport sind Essstörungen. Welche Handlungsempfehlungen gibt es bei einer auffallenden Essstörung?

Dallmann: Essstörungen kommen im Leistungssport häufiger vor als in der Normalbevölkerung. Es gibt einige Risikosportarten im Bereich Ausdauer, Ästhetik, Gravitation und Gewichtsklassen. Auffälliges Essverhalten und Gewichtsabnahme/-schwankungen sollten immer angesprochen werden. Bei einer Essstörung handelt es sich um eine sehr ernsthafte Erkrankung. Bei deutlicher Abnahme sollte nicht nur Psychiater/Psychotherapeut, sondern unbedingt auch die Sportmedizin hinzugezogen werden, um die weitere Sporttauglichkeit zu beurteilen. Hier können Trainer vorsorgen, indem sie Sportler mit ihrem Gewichtsmanagement nicht allein lassen, öffentliches Wiegen vermeiden, leichtfertige Kommentare zu Gewicht und Aussehen vermeiden und reflektieren und nicht jede Leistungsschwankung mit dem Gewicht in Verbindung setzen.

Frau Granz, was muss im System Leistungssport zukünftig verändert werden, um dem Thema „psychische Gesundheit“ noch mehr Aufmerksamkeit zu widmen?

Granz: Ich denke, es ist wichtig, dass psychische Gesundheit als Grundlagenfaktor für erfolgreichen Leistungssport anerkannt wird, der aktiv gefördert werden kann und gefördert werden sollte. Dafür wären zusätzliche finanzielle Mittel für Sportpsychologen oder -therapeuten notwendig, um auch unterhalb der Bundeskaderstrukturen für das Thema sensibilisieren zu können und eine Anlaufstelle für Betroffene und deren Bezugspersonen zu bilden. Fortbildungen für Trainer, Betreuer und auch Eltern können hier zudem einen wichtigen Rahmen bilden, um das soziale Umfeld darin zu schulen, hinzuschauen, nachzufragen, zuzuhören und gegebenenfalls die Weiterleitung an Experten zu ermöglichen.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, Frau Dallmann: Wie sähe die optimale Betreuungssituation im deutschen Leistungssport-System aus?

Dallmann: Ich finde, wir haben hier am OSP in Heidelberg schon ziemlich optimale Bedingungen. Damit sind wir in Deutschland mit Ausnahme des OSP Berlin aber bisher allein. Uns ist klar, dass dies auch aus finanziellen und personellen Gründen nicht überall so umgesetzt werden kann. Daher wünsche ich mir neben regionalen Anlaufstellen eine zentrale Beratungsmöglichkeit und Vermittlung von passenden Therapeuten. Ich wünsche mir, dass Sportler und Trainer einfachen Zugang zu Basiswissen in diesem Bereich bekommen und wir den Umgang mit psychischen Erkrankungen weiter entstigmatisieren können.