Frau Menzer-Haasis, sechs Wochen sind seit Ihrer Wahl zur ersten Präsidentin des Landessportverbandes Baden-Württemberg vergangen. Stapeln sich die Glückwunschkarten auf Ihrem Schreibtisch?

In der Tat habe ich sehr, sehr viele Glückwünsche aus den Reihen des Sports, der Politik, aber natürlich auch aus dem privaten Bereich erhalten. Über alle habe ich mich sehr gefreut, teilweise war ich auch überrascht.

Sie haben kandidiert, um zu gewinnen. Dennoch sahen viele, mit denen man im Vorfeld und auch noch am Tag der Wahl sprach, Ihren Gegenkandidaten Thomas Halder etwas im Vorteil. Hat Sie das Wahlergebnis, noch dazu in dieser Deutlichkeit, überrascht? Was hat letztlich aus Ihrer Sicht den Ausschlag gegeben?

Natürlich wollte ich gewinnen, das will doch jeder Sportler. Die Deutlichkeit hat mich dann in der Tat überrascht, da sich im Vorfeld ja doch größere Gruppierungen, denken wir nur an die drei Fußballverbände, für Herrn Halder ausgesprochen hatten. Woran es lag? Da kann jetzt jeder spekulieren. Ich denke, dass ich, nicht nur bei meiner Vorstellungsrede, recht authentisch rübergekommen bin. Ich komme von der Basis – Politiker würden sagen, ich verstehe deren Sprache –, bin seit Jahrzehnten in den Sport auf allen Ebenen eingebunden, sodass es sicherlich viele Gründe gibt, welche die Delegierten dazu bewogen haben, bei meinem Namen ein Kreuzchen zu setzen.

Sie sind die erste Präsidentin des LSV. An vielen Fronten wird gefordert, dass Frauen verstärkt Führungspositionen übernehmen sollten. Nicht nur im Sport, vornehmlich in der Politik und Wirtschaft.

Glauben Sie, dass der „Frauenbonus“ eventuell eine Rolle gespielt haben könnte?

Das glaube ich nicht. Damit macht man es sich zu einfach. Die Genderfrage kommt bei jeder Wahl um Spitzenpositionen aufs Tableau. Wie gesagt, mit meinen vielfältigen Erfahrungen, sowohl im Sport als auch in der Politik, erfülle ich das Anforderungsprofil als LSV-Präsidentin. Ich denke, dass die Sportfunktionäre niemanden  wählen würden, nur weil es eine Frau ist.

Erzählen Sie, wie verliefen die ersten Tage und Wochen in Ihrem neuen Amt?

Ich habe mich gefreut, bin stolz, dieses Amt nun bekleiden zu dürfen. Ich habe natürlich zunächst mehrere Gespräche mit dem Hauptamt, also dem Hauptgeschäftsführer Ulrich Derad und weiteren Mitarbeiterinnen

und Mitarbeitern in der Geschäftsstelle in Stuttgart, geführt. Wir haben erste, bereits zugesagte Termine koordiniert. Und ich habe einige dieser Termine auch schon wahrgenommen, war beim Landesturnfest

in Ulm, der Mitgliederversammlung des Südbadischen Fußballverbandes, beim Sommerskispringen in Hinterzarten und bei einer internen Feier zum 40-jährigen Dienstjubiläum von Frau Migl.

Und wurden bei den Fußballern gut aufgenommen?

Ja, aber selbstverständlich. Ich spekuliere nicht, ob mich jemand gewählt hat oder nicht. Jetzt bin ich Präsidentin des LSV, folglich aller Fachverbände, und werde mich auch für alle einsetzen, wo immer dies gewünscht oder auch erforderlich ist. Die Veranstaltung der Fußballer in Villingen verlief sehr professionell und harmonisch, keine Frage.

Und mit Ihrem Mann sind Sie auch im Reinen, wenn es um dieses doch sehr zeitraubende Ehrenamt geht?

Ja, klar. Wir haben zusammen im Vorfeld das Szenario besprochen.

Gehen wir zunächst ein bisschen ins Persönliche, denn die Leser möchten Sie sicherlich noch etwas besser kennenlernen. Stichpunktartig, was würden Sie herausstellen?

Ich wurde am 5. April 1960 in Tübingen geboren, wuchs in Burladingen auf. Ich habe zwei abgeschlossene Lehramtsstudien, zunächst in Sport und Germanistik für Gymnasien und dann auch für das Lehramt an Sonderschulen mit dem Schwerpunkt Lern- und Sprachbehindertenpädagogik mit der Sonderqualifikation Spiel und Sport mit Behinderten. Dann übernahm ich das Amt der Konrektorin in Hechingen, und von 1996 bis 2000 wurde ich an das Staatliche Schulamt Balingen abgeordnet und war dort tätig in den Bereichen Organisation

und Realisierung der Sportlehrerfortbildung. Ich war Leiterin des Regionalteams Sport und Koordinatorin für Jugend trainiert für Olympia. Und danach für fünf Jahre Referentin im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, hier nicht zuletzt Moderatorin von Konfliktsituationen im Bereich Sport und Naturschutz.

Sie haben sich für die Stelle im Kultusministerium beworben?

Ja natürlich, ich erinnere mich noch gut, wie ich bei Herrn Schmidt-Volkmar ein Vorstellungsgespräch hatte. Später hat sich dann herausgestellt, dass er das Gespräch an seinem 60. Geburtstag führte.

Und fuhren jeden Tag nach Stuttgart?

Ja, das war bisweilen nicht immer einfach, schon gar nicht im Winter. Wenn es wegen des Schnees gar nicht mehr ging, dann habe ich hin und wieder auch von zu Hause aus gearbeitet.

Warum 2005 der Wechsel ins Landesbüro Ehrenamt?

Der damalige Staatssekretär Helmut Rau, der für das Ehrenamt zuständig war, fragte mich, ob ich Leiterin dieses Landesbüros werden wollte, und ich sagte zu. Die Arbeit im Landesbüro Ehrenamt war interessant und authentisch. Wir haben den Ehrenamtsdialog eingeführt, es gab Wettbewerbe, es ging um verbesserte Rahmenbedingungen.

Und parallel dazu stand auch privat der Sport im Vordergrund.

Von Kindesbeinen an. Zunächst war ich Spielerin und Trainerin Volleyball beim TSV Burladingen, dann B-Trainerin und B-Schiedsrichterin, habe unter anderem einen Stützpunkt für Gerätturnen im Turngau Zollern-Schalksburg eingerichtet, war von 1988 bis 1995 Vorsitzende des TV Onstmettingen und Sprecherin aller 22 Vereine der Gemeinde und danach vier Jahre lang Präsidentin des Turngaus.

Und wurden schließlich Vizepräsidentin des Schwäbischen Turnerbundes.

Ja, zuständig für Bildung und Kultur, ich war Vorsitzende des Bildungswerks des STB. Zwei Jahre später dann wurde ich schließlich auch ins Präsidium des Württembergischen Landessportbundes gewählt. In ähnlicher Funktion, als Vizepräsidentin für Sportentwicklung.

Und üben dieses Amt seit 18 Jahren aus, werden es nun aber aufgeben?

Ja natürlich, das ist bereits erfolgt, ich habe Herrn Tappeser dies auch schon schriftlich mitgeteilt.

Gab es früher auch schon direkte Berührungen mit dem LSV?

In vielfältiger Art und Weise. Zuletzt war ich zum Beispiel Mitglied in den Ad-hoc-Kommissionen Inklusion sowie Sport und Flüchtlinge des LSV.

Jetzt leiten Sie den LSV. Was wollen Sie als nächstes angehen?

Ich hatte ja bereits erwähnt, dass ich dabei bin mit dem Hauptamt eine Bestandsaufnahme durchzuführen. Ich habe das Glück, von Herrn Schmidt-Volkmar einen bestens geführten Verband übernommen zu haben. Ich werde als erstes das Gespräch mit den einzelnen Sportbund-Präsidenten suchen, werde mich mit Jürgen Scholz, dem neuen Vorsitzenden des Präsidialausschusses Leistungssport, treffen. Dann wird es sicherlich auch bald ein erstes Gespräch mit Alfons Hörmann, dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes, geben, um die weitere Entwicklung der Spitzensportkonzeption und der Olympiastützpunkte zu diskutieren. Und ich will mich schließlich zügig mit den politisch Verantwortlichen in Baden-Württemberg treffen, Gesprächsangebote liegen bereits vor.

Apropos Leistungssport, dies ist ein Kernthema des LSV. Im Vorfeld der Wahl gab es vereinzelt Stimmen, die Sie gegenüber Herrn Halder im Hintertreffen sahen, wenn es um den Bereich Leistungssport, geht. Wie sehen Sie dies?

Das beurteile ich gänzlich anders. Ich habe selbst Leistungssport betrieben, Nachwuchsathleten trainiert, einen Trainingsstützpunkt eingerichtet und nicht zuletzt Sportwissenschaft studiert. Ich weiß also, wie optimale Trainingsbedingungen aussehen sollten – auch im Hinblick auf die berufliche Entwicklung der Sportlerinnen und Sportler.

Der Solidarpakt Sport III mit der Landesregierung ist verabschiedet und gilt von 2017 bis 2021. Um das Thema Finanzen müssen Sie sich also nicht mehr kümmern?

Ganz so einfach ist es nicht. Viele Weichen sind gestellt, aber es gilt, sich auch für zukünftige Aufgaben vorzubereiten. Es wird sicherlich gesellschaftliche Entwicklungen geben, die heute noch nicht vorherzusehen

sind, und für die es dann zusätzliche Mittel braucht, um das Themenfeld adäquat für den Sport bewerkstelligen zu

können. Nehmen Sie das Beispiel der vielen Geflüchteten, für die unsere Vereine seit über einem Jahr Sportkurse oder Spielzeiten anbieten. Sie wissen, Stillstand bedeutet Rückschritt.

Schlagwortartig, welche inhaltlichen Themen wollen Sie in den nächsten Monaten angehen? Das Thema einer eventuellen neuen Vereinbarung mit den Volkshochschulen haben Sie ja bereits kurz nach Ihrer Wahl genannt.

Gemeinsam mit den Sportbünden das Thema Flüchtlinge und Inklusion weiterentwickeln, Intensivierung der Lobbyarbeit, Herausforderungen und Potenziale der Digitalisierung, Sport und Tourismus, Sport als weicher Standortfaktor, um nur einige zu nennen.

Unter welches Motto würden Sie die nächsten Monate stellen?

Vertrauen schaffen und Zukunft sichern.