Ulrich Derad befasst sich als Hauptgeschäftsführer des Landessportverbandes Baden-Württemberg seit Jahren intensiv mit dem deutschen Lotterie- und Sportwettenmarkt. Im Interview mit SPORT in BW äußert er sich über die Vorteile der staatlichen Anbieter für den organisierten Sport und die Risiken bei sogenannten „Schwarzen Lotterien“.

Herr Derad, es gibt innerhalb des Sports nur wenige Themen, bei denen so viele Menschen mitreden, aber die wenigsten eine richtige Ahnung haben, nämlich den Bereich der Lotterien und Sportwetten. Klären Sie uns auf: In welcher Art und Weise profitiert der organisierte Sport von Toto-Lotto-Erträgen?
Über die Haushalte der Länder erhält der organisierte Sport im Jahr bundesweit direkt und/oder indirekt rund 500 Millionen Euro aus Lotterieerträgen. Allein bei uns im Land fließt ein erheblicher Betrag, nämlich 59 Millionen Euro, über den Wettmittelfonds in den Solidarpakt des Sports. Hinzu kommen die Erträge der Rentenlotterie GlücksSpirale. Wir sind auf diese Mittel als Grundlage für den Breitensport, die Jugendförderung und den Leistungssport dringend angewiesen.

Wie steht es derzeit um die Privatlotterie GlücksSpirale?
Deren Erträge, im letzten Jahr immerhin rund 12,4 Mio Euro allein in Baden-Württemberg, gehen zu gleichen Teilen an die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, den Deutschen Olympischen Sportbund bzw. dann auch an den Landessportverband Baden-Württemberg, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz bzw. die Denkmalstiftung Baden-Württemberg sowie an das Land Baden-Württemberg zur Förderung von Umwelt- und Naturschutzprojekten.

Stimmt es, dass diese Erträge zuletzt drastisch zurückgegangen sind?
Nein, im Gegenteil. Die Spieleinsätze für die GlücksSpirale und damit auch die Erträge haben sich in den vergangenen Jahren erfreulich entwickelt. Es wäre schön, wenn diese Entwicklung aufrechterhalten werden könnte. Dazubeigetragen hat sicherlich auchh, dass die GlücksSpirale seit einiger Zeit auch auf Lotto- und Eurojackpot-Scheinen gespielt werden kann. Aus der neuen Zusatzlotterie Sieger-Chance kamen im letzten Jahr sogar erstmals noch rund 500.000 Euro oben drauf – und zwar zugunsten des Deutschen Olympischen Sportbundes Zur kurzen Erläuterung: Die 500.000 Euro sind die Sieger-Chance-Erträge nur aus Baden-Württemberg. Aus den übrigen beteiligten Bundesländern fließen ebenfalls Mittel an den DOSB.

Die Lotteriegesellschaften sowie Landessportverbände von Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und dem Saarland treffen sich in regelmäßigen Abständen. Was wird bei diesen Treffen diskutiert, um was geht es hier im Einzelnen?
Ja, wir treffen uns etwa einmal im Jahr in Stuttgart, zuletzt im Mai. Dabei geht es vor allem um eine enge Abstimmung und den Austausch zwischen dem organisierten Sport und den staatlichen Lotteriegesellschaften im Südwesten. Wir beobachten mit Sorge, wie das so erfolgreiche Fördermodell für den Sport durch Anbieter so genannter „Schwarzer Lotterien“ bedroht wird.

Erläutern Sie uns bitte, was man unter „Schwarzen Lotterien“ versteht. Warum sind die für die Entwicklung des Vereins- und Verbandssports so schädlich?
Bei Anbietern von „schwarzen Lotterien“ handelt es sich um private Unternehmen, meist mit Sitz in Steueroasen wie Gibraltar. Sie erwecken für die Tipper im Internet den Eindruck, zum Beispiel am deutschen LOTTO 6aus49 teilzunehmen. Das ist aber nicht der Fall. In Wirklichkeit spielt man dort nicht die Original-Lotterien wie eben den Klassiker 6aus49 oder den Eurojackpot, sondern wettet nur auf den Ausgang der Ziehung. Eine Folge davon ist, dass die Spieleinsätze bei den staatlichen Lotteriegesellschaften hierzulande unter Druck geraten, weil sie sich hin zu diesen Anbietern in Steueroasen verlagern. Und das wirkt sich negativ auf die Förderung des Gemeinwohls aus. Denn die Anbieter von „Schwarzen Lotterien“ leisten mitnichten dieselbe Abgabenhöhe wie die staatlichen Lotterien.

Seit Jahren heißt es bei den Sportwetten, es solle eine gewisse Anzahl von Lizenzen vergeben werden, was aber noch immer nicht geschehen ist.
Man muss hier eines sehen: Deutschland gehört vom Volumen her zu den größten Geldspielmärkten in Europa und auch weltweit. Es geht also um sehr viel Geld. Das haben die privaten Anbieter erkannt und tun alles, um hierzulande dauerhaft einen Fuß in die Türe zu bekommen. Eine Folge davon waren und sind schier unzählige Rechtsstreitigkeiten. Im Moment sehe ich weniger den gesetzlichen Rahmen in Form des Glücksspielstaatsvertrages als Problem an, sondern seine schleppende Umsetzung. Wir haben also ein Defizit beim Vollzug, was die illegalen Glücksspielanbieter betrifft.

Zurück zu Toto-Lotto Baden-Württemberg: Wie ist das Verhältnis des LSV zu ihr?
Das Verhältnis ist sehr vertrauensvoll und unkompliziert. Wir haben mit Toto Lotto einen Partner, auf den sich der Sport verlassen kann. Nur ein Beispiel: Erst in diesem Mai konnten wir bei der großen Preisverleihung in Rust due vielen tollen Projekte der Sportvereine aus Baden-Württemberg vorstellen und mit 100.000 Euro von Lotto prämieren. Dort hat Marion Caspers-Merk, Geschäftsführerin von Lotto Baden-Württemberg, auch den Preis für 2018 zugesagt. Das ist ein starkes Signal an den überwiegend ehrenamtlich organisierten Sport im Land.

Interview von Joachim Spägele